Lieber Osama
deiner rührseligen Geschichte.
Sie stand auf und fuhr herum, um mir direkt ins Gesicht zu sehen.
- Du bist ein Parasit, sagte sie. Nur weil dein eigenes jämmerliches kleines Leben vorbei ist, hast du noch lange nicht das Recht, dir meins zu krallen.
- Das meinst du jetzt aber nicht im Ernst, oder? Ich hab gesehen, wie du lebst, und ehrlich gesagt würde ich lieber sterben, als mit dir zu tauschen.
- So?, sagte Petra. Schau mir ins Gesicht, und dann sag mir, du bist gestern Abend nicht mit Jasper zusammen gewesen.
- Das habe ich nicht behauptet.
- Schlampe, zischte Petra.
Sie schlug mir ins Gesicht, hart und gemein. Ich hatte ihre Hand gar nicht kommen sehen, und der Schlag traf mich teils am Kinn, teils am Hals, sodass es meinen Kopf nach hinten schleuderte und ich die Wirbel knacken hörte. Ich fiel rücklings aufs Sofa und hielt mir das Gesicht, obwohl es eigentlich nicht wehtat. Ich dachte nur, wie seltsam, wie verdammt seltsam das alles war. Ich meine, ich war schon mit so vielen Typen zusammen gewesen, manche davon nicht eben Chorknaben, aber der erste Mensch, der mich schlug, war die Lifestyle-Redakteurin des Scheiß-Sunday Telegraph. Um es kurz zu machen, Osama, ich fing einfach an zu lachen, ich konnte nicht anders. Und ich wette, dir ginge es nicht anders, wenn kein Spezialkommando, sondern jemand mit Highheels und Lippenstift dich in deiner Höhle aufstöbern würde, Leibwächter hin oder her. Als ich meine Hand wegnahm, war Blut dran, ich glaube, Petras Ringe hatten mir die Haut aufgerissen. Ich warf den Kopf zurück und lachte, während das Blut auf mein weißes T-Shirt lief.
- Du bist wirklich vollkommen durchgeknallt, sagte Petra. Hältst du das für witzig?
- Hör mal, Petra, du hast jetzt deinen Auftritt gehabt, warum haust du nicht einfach ab?
- Ich bin noch nicht fertig mit dir, sagte Petra. Ich gehe erst, wenn du mir versprichst, Jasper von jetzt an in Frieden zu las sen.
Petra. Hör doch endlich mal zu. Jasper ist hinter mir her, nicht umgekehrt. Ich tue alles, um ihm aus dem Weg zu gehen. Ich schleiche mich in meine Wohnung, schalte nicht mal das Licht an, und wenn er vorbeikommt, mache ich nicht auf Petra schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn.
- Was ich nicht verstehe, ist: Was findet er eigentlich an dir?
Hilflos breitete sie die Arme aus.
- Ich meine, schau dich doch bloß um. Dieses erbärmliche kleine Loch. Macht ihn der Schmutz an? Für Schmutz könnte ich sorgen. Oder dein elendes Dasein? Fände er mich geiler, wenn ich einen der besten Jobs in der englischen Medien wirtschaft aufgäbe und so etwas machen würde, was immer du… keine Ahnung, was machst du eigentlich?
- Tee. Ich mache Tee und… Sekretariatsarbeiten.
- Na super, sagte Petra. Das muss ja richtig spannend sein für euch. Und eure Gespräche erst.
- Jetzt ist es langsam gut.
- Oder ist es einfach deinetwegen?, sagte Petra. Sind es deine hübschen kleinen Titten, deine ach so traurigen Augen und deine allerliebste Lady-Di-Frisur. Wenn es nur um Titten, Au gen und Frisur geht, die kriege ich locker hin. Du hältst das für einen Witz? Willst du sehen, wie ich das mit den Haaren hin kriege?
Sie rannte aus dem Wohnzimmer in die Küche, wo sie sämtliche Schubladen durchwühlte. Als sie zurückkam, trug sie eine Haushaltsschere in der Hand, und die hielt sie dann an ihr wunderschönes, langes, seidenweiches Haar.
- Nein, Petra. Bitte, es reicht.
Schnapp-schnapp-schnapp fing Petra an, ihre Haare abzuschneiden. Goldene Strähnen segelten überall auf den Teppich, während sie rief: HIER! UND HIER! SO GEFÄLLT’S IHM DOCH, ODER? DA, GUCK! Ich konnte sie nicht davon abhalten, sie rastete voll aus, und solange sie diese Schere in der Hand hatte, wollte ich ihr nicht zu nahe kommen. Deshalb machte ich es wie die Reporter in den Tierfilmen, wenn irgendein Raubtier auf sie loszugehen droht: Sie springen aufs Dach ihres Land Rovers und warten, bis die Gefahr vorbei ist. Ich ging hinter dem Sofa in Deckung und ließ Petra ihren Willen. Endlich, als sie sich ausgetobt hatte, ließ sie die Schere fallen, stand zitternd da und sah aus wie das, was man von den 8oern schon immer gern vergessen wollte. Nein, Osama, ich meine nicht die Russen in Afghanistan, sondern so was wie Duran Duran oder die Thompson Twins. Egal, hinter meinem Sofa war ich jedenfalls in Sicherheit.
Doch dann fing sie an, mich mit Sachen zu bewerfen, etwa dem Fußballpokal meines Mannes von damals, als sie die Mannschaft der Flugstaffel
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