Lieber Osama
stand auf, öffnete das Fenster und schaute auf die Barnet Grove hinunter, wie sie dampfend dalag und trocknete und wie all die Autos blitzten wie neu.
Ich ging unter die Dusche, zog mich an, da klingelte es an der Tür. Es war Petra, und diesmal lächelte sie.
- Ist das nicht ein herrlicher Tag?, sagte sie. Ich zuckte die Achseln.
- Willst du mich nicht reinlassen?, sagte sie.
- Kommt drauf an. Nicht wenn du wieder mit allem Möglichem um dich wirfst.
Ihre Miene wurde ernst.
- Letzte Woche habe ich mich komplett danebenbenommen, sagte sie. Jasper hat mir erzählt, was im Pub passiert ist.
- So?
Ich drehte mich um und ging in die Küche. Petra schloss die Wohnungstür hinter sich und folgte mir.
- Jemand anders hätte die Polizei geholt, sagte sie.
Mit dem Rücken zu ihr sah ich aus dem Fenster. Ich zuckte die Achseln.
- Die Polizei bringt da nichts. Ein bisschen mehr Selbstdisziplin aber wohl.
- Du hättest uns das Leben ziemlich schwer machen können. Du hast etwas bei mir gut.
Ich drehte mich zu ihr um.
- Du schuldest mir nichts, und ich schulde dir nichts. Vergiss die Sache einfach. War’s das jetzt?
Petra fummelte an ihren Fingern.
- Ach komm, sei doch nicht so. Ich wollte dir eigentlich ein Friedensangebot machen.
- Hör zu, Petra. Ich brauche kein Friedensangebot, ich brauche nur Ruhe und Frieden.
Ich ließ Wasser in die Spüle laufen. Petra setzte sich auf die Ecke vom Küchentisch und beobachtete mich.
- Super. Du machst also einfach weiter wie immer?
- Hast du einen besseren Vorschlag? Petra überlegte einen Moment.
- Also, wenn es mir schlecht geht, gehe ich shoppen.
- Schön für dich, aber ich brauche im Moment nichts.
- Auch nicht was Hübsches zum Anziehen?, sagte Petra. Ich könnte mit dir einkaufen gehen.
Die Spüle war voll. Ich drehte den Hahn zu und fing an, eingetrocknete Minestrone aus dem Kaffeebecher zu schrubben.
- Mir reichen die Sachen, die ich habe.
- Nein, tun sie nicht, sagte Petra. Glaub mir, so wie du dich anziehst, fehlt dir eigentlich nur noch das Haarnetz, und du könntest im Schlachthof arbeiten. Dein Leben hat keine Richtung. Du mußt mal den richtigen Leuten begegnen, aber das würde nichts nützen, wenn du nicht die entsprechende Klamotte dazu hast.
- Meinst du?
- Schätzchen, das meine ich nicht nur, das weiß ich. Wenn ich in zehn Jahren Modezirkus etwas gelernt habe, dann das: Glück steht auf gute Schuhe. Also los, gucken wir mal, was wir Schönes für dich finden.
Ich seufzte.
- Was, wenn ich heute was anderes vorhabe?
- Hast du?
Um ehrlich zu sein, Osama, sosehr ich mir auch den Kopf zerbrach, ich hatte nicht nur für diesen Tag nichts geplant, sondern für den ganzen Rest meines Lebens, das war ja das Problem. Ich schüttelte den Kopf.
- Nein.
- Prima, sagte Petra.
Sie klappte ihr Handy auf und rief uns ein Taxi, bevor ich noch sagen konnte, es sei blöd, meine Monatskarte für den Bus nicht zu nutzen. Aber das Taxi war schneller da, als ich es mir anders überlegen konnte, also schlüpfte ich schnell in meine Pumas und ließ den Abwasch Abwasch sein. Draußen dampfte noch immer der Asphalt, und auch mein Haar trocknete in der Sonne.
- Sag mal, Petra, riechen meine Haare eigentlich nach Rauch?
Sie zog meinen Kopf zu sich heran, sog langsam die Luft ein, hauchte sie wieder aus. Ich spürte ihren Atem als kühlen Strom auf meinen Wangen.
- Nein, sagte sie. Deine Haare riechen wunderbar.
Sie strich mit ihren Fingern über mein Gesicht, und ich erschauerte. Dann nahm sie ihre Hand weg, und ich sah die Hand auf den Bürgersteig fallen. Ihr Arm wurde unterhalb des Ellbogens abgetrennt, und der nackte Knochen ragte aus dem zerfetzten Fleisch. Ihre hübschen kleinen Finger zuckten. Ich musste einen Moment lang die Augen schließen, ehe alles wieder normal wurde.
Wir stiegen ins Taxi, und der Fahrer traute erst mal seinen Augen nicht, was verständlich war. Wir sahen tatsächlich aus wie aus einem Experiment, wo der eine Zwilling die ganze Kohle kriegt und der andere nur Zustände. Obwohl ich ja immer noch nicht wusste, was ich hier mit Petra sollte. Ich wusste nur, es war besser, als den ganzen Tag zu Hause rumzusitzen.
- Wohin geht’s?, fragte der Fahrer.
- Harvey Nichols, sagte Petra.
- Ach komm, sei nicht blöd. Du weißt ganz genau, dass ich nicht das Geld habe, um da einzukaufen. Ich bin ein Asda-Girl.
- Kein Problem. Das Geld habe ich. Geht alles auf mich.
- Aber, Petra, du sollst mir kleine Klamotten kaufen.
- Es gibt so
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