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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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kleinen Schluchzer. Ich streichelte seinen Bauch.
    - Danke, sagte er.
    - Schon gut. Gleich geht’s dir besser.
    - Siehst du, das meinte ich, sagte er. Warum kann Petra nicht so sein?
    - Ich schätze, sie ist zu beschäftigt, das Geld ranzuschaffen, das du dir permanent durch die Nase ziehst.
    - Petra bin ich scheißegal, sagte er. Die kümmert das alles doch nicht. Ich wollte, sie würde endlich gehen. Ich lächelte ihn im Spiegel an.
    - Nein, das willst du nicht. Wer wäre dann bei dir?
    - Du, sagte Jasper.
    - Sei nicht albern.
    - Warum nicht?
    - Hör zu, Jasper. Du bist im Grunde ganz okay, aber reiß dich endlich am Riemen und lass mich ein neues Leben anfangen.
    Jasper drehte sich um, legte eine Hand auf meinen Hintern und streichelte mit der anderen meinen Nacken.
    - Und warum kannst du dieses neue Leben nicht mit mir an fangen?, sagte er.
    - Weil du nach Tod riechst und weil ich zu spät zur Arbeit komme.
    Er trat einen Schritt zurück in seinen Socken und seinen Boxershorts und sah mich böse an.
    - Du triffst dich immer noch mit diesem Polizisten, oder?, fragte er. Mr. Timberlands.
    - Ja. Zum Beispiel heute.
    - Aber ist der nicht verheiratet?
    - Wir gehen in ein Hotel. Jeden Montag. In der Mittagspause.
    - Wie romantisch.
    - Sagt der Märchenprinz.
    Ich musterte ihn von Kopf bis Fuß, und er senkte den Blick.
    - Das ist diese gottverdammte Welt, sagte er. Die hat mich völlig fertig gemacht.
    - Nein, Jasper, was dich fertig macht, ist der Koks. Sieh doch das Leben mal ein bisschen positiv.
    -Ach ja, ich vergaß, sagte er. Die positive Seite. Woche für Woche muss ich 800 Wörter raushauen über eine Welt, die zu einem Riesenhaufen Scheiße verkommen ist. Aber keine Angst, liebe Telegraph-Leser, positiv daran ist, dass wir uns diesen Riesenhaufen Scheiße auf unseren LCD-Fernsehern angucken können, während wir uns zugleich an einem überhitzten Immobilienmarkt erfreuen sowie an unseren Präventivschlägen gegen Tyrannei und Unterdrückung.
    Jasper fuhr herum und schlug mit der Handkante in den Spiegel über dem Waschbecken. Im Glas explodierten Sprünge wie ein großer hässlicher Stern.
    - Hey. Jetzt reg dich mal ab.
    - Und wie, bitte, soll ich mich abregen? Es gibt nämlich nichts Positives. Sperrballons über der City? Scheißegal, verschönern wir unser Heim. Ausgangssperre, die unsere Bewegungsfreiheit auf die eigenen vier Wände beschränkt? Macht nichts, dafür gehen die Quoten von Big Brother durch die Decke. Und wie reagieren wir, wenn sie Muslime internieren? Gar nicht, denn das heiße Ding des Jahres ist der flotte Dreier.
    - Jasper, du müsstest dich hören.
    Jasper starrte mich an und fing auf einmal an zu lachen. Ein fürchterliches Lachen.
    - Nein, tut mir leid, sagte er. Du hast Recht. Ich rege mich schon wieder auf. Sag mal, du hast nicht zufällig ein bisschen Koks?
    - Nein, das weißt du doch.
    - Klar, natürlich hast du keins. Aber fragen kostet ja nichts. Er schniefte und wischte sich mit der vom Spiegel blutigen Hand über die Nase. Blut tropfte auf seine Lippen, echtes Blut und zumindest diesmal nicht nur in meinem Kopf. Ich wusste nicht, ob ich darüber jetzt traurig oder glücklich sein sollte. Während er redete, lief es weiter auf seine Zähne.
    - Die Leute haben das Entsetzen einfach vergessen, sagte er. Erinnerst du dich noch an den Knall der Explosion?
    - Hör auf.
    - Die Fensterscheiben bebten, sagte Jasper. Das Echo rollte und rollte durch die Straßen. Ich höre es noch immer. Und dann dein Gesicht. Dein Gesicht, als dir aufging, was gerade passiert war. Das ist Entsetzen. Als dir aufging, dass niemand mehr da sein würde, für den du Fischstäbchen machen kannst. Denn das ist das, was nach all den Verlautbarungen, Erklärungen, symbolischen Handlungen und 800 gewählten Wörtern von selbst herrlichen Arschlöchern wie mir übrig bleibt: Entsetzen.
    Jasper drehte sich um und stützte sich mit beiden Händen am Waschbecken auf. Er senkte den Kopf, Blut tropfte auf die weiße Keramik. Ich nahm ihn an der Hand und führte ihn zurück ins Schlafzimmer. Er murmelte nur noch.
    - Leg dich hin, Jasper. Versuch ein bisschen zu schlafen, sei ein braver Junge.
    Ich wickelte ein Handtuch um die blutende Hand und deckte ihn zu. Ich streichelte ihm übers Haar.
    - Sch-sch, mein Kleiner, sch-sch.
    Er schloss die Augen, und ich saß noch eine ganze Weile bei ihm, bis er eingeschlafen war. Die Augen bewegten sich unter den Lidern, seine Finger zuckten. Es gab kaputte Dinge in seinem Traum,

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