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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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nicht mehr wußte, wozu man sie hatte.

    Robert Falk sorgte dafür, daß ich nach der Razzia seines Teams bei Ghea Records exklusiv berichten konnte. Die Eröffnung, daß es neues Beweismaterial zum Tod von Johnny Waits gebe, kam in reißerischer Manier auf die Titelseiten. Keith war wütend, weil ich zur alten Form zurückgekehrt war. Er meinte, es sei seine Story.
    Darüber zerbrach ich mir nicht allzu heftig den Kopf. Ich hatte Robert Falk die Dateien der Ghea nicht nur nach Material zu Johnny Waits durchsuchen lassen, sondern auch zu Carlas und zu anderen, die Dexter mit seinem kleinen Programm aufs Korn genommen hatte. Aber Robert hatte schlechte Neuigkeiten. Es gab keine anderen Dateien. Es gab nur die eine, die zu Johnny Waits, die Tony Levi beschrieben hatte. Dexter hatte mir die Wahrheit gesagt, und St. John brauchte nicht lange, um mich aufzustöbern.
    »Ich muß dich sprechen. Dir muß mal jemand richtig Bescheid sagen«, erklärte er.
    »Was dagegen, wenn ich jemanden mitbringe?«
    »Wen denn? Big Keith, den mit den tollen Theorien?«
    »Nein. Ich dachte eher an Tony Levi.«
    »Den Bruder von diesem toten Scheißer?«
    »Versuch doch mal, nett zu sein, St. John. Er ist schrecklich jähzornig«, sagte ich honigsüß.
    »Oh Mann, ich scheiße mir in die Hose«, sagte er. »Paß mal auf, du kommst heute abend zur London Arena. Den Sicherheitsleuten sagst du, daß du mit mir verabredet bist. Ich hab was mit dir zu klären.«
    »Hör mal, St. John, versuch bloß keine Grobheiten. Die Polizei ist jetzt mit im Spiel, okay?«
    »Verflucht, komm einfach hin!«

    Strangeways, eine misogyne Truppe intergalaktischer Troubadoure, gaben ein Vorweihnachtskonzert in der Halle in den Docklands. Sie verfügten über eine große Anhängerschaft, Jungs in Nieten und Leder, denen die rasante Saitenwichserei gefiel, die bei jedem zweiten schlichten Klagelied der Strangeways eine Rolle spielte. Es würde eine Menge Zeug über Himmelsreiter geben, über Kartenspiele mit dem Teufel, und Oden an mysteriöse Mätressen, die unweigerlich »my woman« hießen. Keine Liedchen an den Weihnachtsmann, aber nichtsdestominder ansprechend. Zumindest würde hinter der Bühne und auch vorn viel los sein, wenn wir ankämen.
    Tony hatte einen neuen Wagen, wieder einen BMW, den gleichen wie vorher. Er zog die Handbremse an, ließ den Motor aber laufen. »Ich lasse Sie hier raus, okay?«
    »Was soll das heißen? Kommen Sie nicht mit?«
    »Nein. Da ist was dazwischengekommen. Hab’ heute abend was anderes zu erledigen.«
    »Na toll.«
    »Haben Sie Angst, sich allein mit ihm zu treffen?«
    »Aber nein. Er ist ein bißchen sauer auf mich, aber... was soll’s? Natürlich habe ich Angst — was glauben Sie denn?« Wir blieben im Wagen sitzen und blickten starr geradeaus, und keiner von uns rührte sich. Dann drehte ich mich langsam zu ihm um. »Sie führen da was im Schilde, nicht wahr?«
    »Was meinen Sie?«
    »Tony, ich will erst wissen, was er zu sagen hat, will ihn anhören und, wenn es nötig ist, dann die Polizei rufen.«
    »Okay. Und?«
    »Und. Sie wollen ihm etwas antun, heute abend. Ich weiß es. Seien Sie nicht dumm.«
    »Wissen Sie was?« sagte er und drehte sich zu mir um. »Sie sind ein kluges Mädchen, aber manches muß man Ihnen wirklich erst vorbuchstabieren. Soll St. John es Ihnen buchstabieren. Ich sagte schon, ich habe heute abend etwas anderes zu erledigen.«
    Der warme Wind aus dem Auspuff des Wagens pfiff mir unter den Rock, und dann stand ich allein auf der weiten Fläche des Parkplatzes und sah, wie die Scheinwerferlichter sich durch die Isle of Dogs auf die Riesenhalle der London Arena zuschlängelten. Feuchte, eisige Tropfen fielen aus der Dunkelheit und klatschten mir ins Gesicht. Schnee. Weihnachtsschnee. Großstadtschnee. Ich sah, wie er den Boden berührte und zu schmierigem Schwarz zerschmolz. Gott. Früher war ich über die Felder gerannt und hatte das weiße, knirschende Zeug händeweise aufgehoben und in den Mund gesteckt. Meine Wangen hatten gebrannt von der eisigen Luft, und dampfende Atemwolken waren mit meinem Lachen in die Höhe gestiegen. Schwarze Vögel und dürre Bäume vor weißen Himmel, und ein Schneemann im Garten mit dem Hut meines Vaters, pfeiferauchend und mit glänzenden schwarzen Augen aus richtiger Kohle. Jetzt mochte ich den Schnee nicht mehr. Er verklebte mir die Haare und sorgte dafür, daß mir die Nase lief. Er war nicht mehr sauber.
    Ich ging über den Parkplatz zur Rückseite der Halle. Bis
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