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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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zum Konzert waren es noch zwei Stunden, und Roadies waren dabei, Last-Minute-Equipment von einem großen Laster zu laden. St. Johns Stimme hörte ich zuerst. Er stand vor dem Frachteingang und kanzelte einen Mann mit einem Clipboard ab. Ich ging auf ihn zu, und St. John schickte den Mann weg. Er winkte mich mit einer steif behandschuhten Hand heran und trat unter das Dach zurück, wo er einen Flachmann unter seiner Jacke hervorholte. Seine Nase und seine Ohren waren rosa von der Kälte, und sein feuchtes, aschblondes Haar war von Schneeflocken gesprenkelt.
    »Irischer. Willst du?« Er schraubte den Deckel ab und reichte mir die Flasche. Sie roch warm und torfig.
    »Klar«, sagte ich, ich nahm sie und hob das kalte Metall an den Mund. Aus dem Bühnenraum kam lautes Krachen und elektronisches Wow-wow-Geheul.
    »Zur Sache. Was hast du gegen Dexter?«
    »Eine Menge«, sagte ich.
    »Du hast ihn ruiniert, ist dir das klar?«
    »Na, wohl nicht ganz. Die Firma muß an die vierhundert Millionen wert sein.«
    »Das ist einen Furz in Dosen wert, wenn du im Knast sitzt.«
    »Na, warum nimmst du es nicht auf dich, St. John?«
    »Was?«
    Sein Gesicht verlor alle brüderliche Sorge um Christian Dexter und konzentrierte sich auf diesen neuen Vorschlag.
    »Erstens, Carla. Zweitens, Tommy Levi.«
    »Was ist los, verdammte Scheiße?«
    »Komm schon. Du hast den Report zu Johnny Waits gesehen. Cheryl LeMat hat ihn dir gezeigt. Du mußt dir gesagt haben: >Was für ein großartiges Geschäft. Laß es uns mit Carla probieren.< Es war einfach, nicht? Carla dachte, sie schnupft Koks, aber du hast dafür gesorgt, daß sie sich Cheryls Heroinvorrat reingezogen hat. Goodbye, Carla. Hello, Big Money. Tommy Levi kam ins Spiel, als er bei dir übernachtete und die Tapes, die Fotos und den Johnny-Waits-Report mitnahm. Er hat dich erpreßt, du hast ihn umgebracht und das Zeug zurückgeholt. Alles in bester Ordnung. Was ich nicht verstehe, ist, wieso du neulich nachts versucht hast, Keith umzubringen.«
    St. John stand schweigend in dem Lärm und Getöse; seine Haar standen zu Berge, und sein Gesicht dampfte in der Kälte. »Du bist verrückt«, sagte er schließlich. »Ich rufe dich her, um dich über Dexter aufzuklären, und du kommst mit dieser... mit dieser Scheiße. Verfluchte Lesbe!« Jetzt brüllte er.
    Bevor ich mich rühren konnte, hatte er meinen Jackenaufschlag mit beiden Fäusten gepackt und mich hoch und um die Tür herum gerissen. Während ich noch versuchte, seine Hände von meinem Hals herunterzuziehen, stieß ich mit dem Kopf gegen etwas Hartes, und Bühne und Lichter schienen vor mir zu schwanken. Ich hörte Männer schreien, und St. John wurde zurückgezogen. Er hielt mich fest wie ein Hund, der seinen Knochen nicht hergeben will, und ich purzelte auf ihn. Ich rollte mich beiseite und wollte mich aufrappeln, um wegzulaufen, aber er bekam mein Bein zu fassen und riß mich zurück. Ich fiel vornüber und schrammte mir die Hände auf. Ich trat seine klammernden Hände weg, und jemand hob mich hoch und zur Seite. Dann hörte man zwei schnelle, krachende Schläge. St. John rutschte mindestens zwei Meter weit rückwärts über den Boden. Er brauchte volle fünf Minuten, um wieder zu sich zu kommen. Tony Levis furchterregende Boxdemonstration hinderte ein paar der kräftigeren Roadies daran, sofort einzuschreiten und St. Johns Ehre zu retten. Ohnehin hatte ihn nach allgemeiner Ansicht jemand zur Ordnung rufen müssen, weil er grob mit einer Lady umgesprungen war — selbst wenn es eine Lesbe war.
    Gleichwohl gab es einiges Palaver über St. Johns hingestreckte Gestalt, bis er die Augen aufschlug. Dann ging Tony in die Hocke und tätschelte ihm leicht die Wange.
    »Gehen wir irgendwohin, wo es ruhig ist, und reden, ja?« sagte er, und alles trat zurück, um St. John aufstehen zu lassen. Der ruhigste Ort war draußen in der kalten Abendluft, auf dem Parkplatz bei Tony Levis’ neuem Auto.
    St. John rieb sich den geschwollenen Unterkiefer. »Tony Levi. Yeah, ich hätt’s wissen sollen. Großes Weltergewicht. Hat Sandino erledigt und den großmäuligen schwarzen Hund Slater. Ich hab nie begriffen, weshalb Sie sich aus dem Sport zurückgezogen haben. Sie hatten’s doch. In beiden Händen. Spitze. Hätten Weltmeister werden können. Wieso haben Sie das nicht gemacht, statt herzukommen und mir mein Leben zu versauen?«
    Ich fing an zu frösteln. Mein Kopf tat weh, und meine Hände waren aufgeschürft. Ich lehnte mich mit der Hüfte gegen Tonys
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