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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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Wasser in der Bar zurück, während er nach oben ging, um nach seinen Hunden zu sehen. Sagte er jedenfalls. Als er wieder herunterkam, hatte ich mir schon den nächsten bestellt. Die Schrammen an meiner Hand brannten nicht mehr, aber ich fühlte mich schmuddelig. Dreck und Schmiere vom Zementboden klebten an meinen feuchten Sachen.
    Er sah aus, als habe er eben mal eine Schachtel Pralinen ausgeliefert. Er hatte keine Schramme, aber als er zurückkam, hatte er sich trotzdem umgezogen und trug einen dunklen, handgenähten Anzug mit weißem Hemd und einer tiefroten Krawatte, etwas breiter als üblich. Sie war mit dunklen Amöbenformen bedruckt und mit einer goldenen Klammer mit seinen Initialen TL und einem kleinen Diamanten am Hemd befestigt.
    »Wollen Sie noch ausgehen?« fragte ich.
    »Ich sagte Ihnen doch, ich habe heute abend etwas zu erledigen.«
    »Würden Sie mich wohl vorher nach Hause bringen? Oder soll ich mir eine von Ihren Taxen rufen?«
    »Wir nehmen ein Taxi. Keine nette Gegend, in der Sie da wohnen, was?«
    Er ließ den Fahrer warten und begleitete mich in den fünften Stock hinauf. Ich schloß die Wohnungstür auf, und er ging hinein, schaltete die Lampen ein und kontrollierte die Wohnung. »Haben Sie keine Angst, in so einer Bude zu wohnen?« fragte er, als ich die Tür zumachte und meine Jacke auszog.
    »Nein. Leute wie Sie machen mir angst, wenn Sie reinkommen und so tun, als könnte in jedem Schrank einer stecken. Wen erwarten Sie eigentlich?« Ich wühlte in meiner Tasche nach Zigaretten.
    »Hören Sie, wir wissen es doch, oder? Wer immer es war, der Tommy und Ihre Freundin umgebracht hat, weiß Bescheid, oder? Ich bin nur vorsichtig.«
    »Ja, ich weiß, aber Sie erwarten doch nicht ernsthaft, daß die hier von früh bis spät rumsitzen und warten, daß ich nach Hause komme, oder?«
    »Reine Vorsicht, okay?«
    Tony hätte sofort wieder gehen können, aber das tat er nicht. Er blieb mitten im Zimmer stehen, als ob er auf etwas wartete. Ein großes Dankeschön an den Lebensretter, vermutete ich. Ich zündete mir eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Sie brauchen einen Hund«, sagte er.
    »Warum nicht zwei?«
    »Ja. Warum nicht?«
    »Weil...«, sagte ich, »weil Hunde Routine brauchen. Bei mir gibt es keine Routine. Sie müssen Spazierengehen. Ich gehe nicht spazieren. Sie müssen den Kopf getätschelt kriegen. Ich tätschle keine Köpfe. Sie brauchen jemanden, auf den sie sich verlassen können. Ich bin unzuverlässig.«
    Er antwortete nicht. Keinem von uns beiden war es in den Sinn gekommen, sich hinzusetzen. Wir standen ein paar Schritte auseinander in meinem Wohnzimmer und warteten, daß etwas passierte. Tony sah nicht aus, als wolle er gehen. Ich redete als erste.
    »Wissen Sie, vielleicht gehe ich nachher auch noch mal weg. Ich glaube, ich weiß, wo Keith heute abend ist. Vielleicht werde ich ein bißchen mit ihm plaudern. Mal sehen, was er so getrieben hat. Was halten Sie davon?« Tony sagte nicht, was er davon hielt. Er sah mich nur mit starren Augen an. »Glauben Sie, was St. John erzählt, Tony?« fragte ich, warf meine ganze Zigarette in den Aschenbecher und ging an ihm vorbei ins Schlafzimmer. »Oh... nehmen Sie sich was zu trinken. Da ist was im Schrank neben dem Telefon«, rief ich, aber da stand er schon in der Schlafzimmertür und sah zu, wie ich mir die Stiefel aufschnürte.
    »Mein Taxi wartet«, sagte er.
    »Sorry, hab’ ich vergessen. Aber Sie haben mir nicht geantwortet. Glauben Sie St. John?«
    »Sie?«
    Ich seufzte. »Glauben Sie ihm? Ja? Herrgott! Können Sie nicht mal eine Frage beantworten? Jawohl, ich glaube ihm. Und?«
    Ich hob meinen Rock ein Stück hoch und begann, mit einiger Mühe meine Lycra-Strumpfhose herunterzurollen. Als sie verknäult über meinen Knien hing, schaute ich zu ihm auf. »Wieso sind Sie eigentlich zurückgekommen, Tony? Als Retter in der Not?«
    Keine Antwort. Ich schob die Strumpfhose weiter bis auf die Knöchel. Meine Waden sahen sehr weiß und glatt aus neben den dunklen Falten des elastischen Strumpfstoffs. Ich schaute auf sie herunter und starrte dann eine ganze Weile auf die Stelle, wo meine Schenkel unter dem Rock verschwanden. »Alle halten mich für eine Lesbe, wissen Sie das? Und schuld ist bloß diese verfluchte Carla«, sagte ich und streifte die Strumpfhose mit den Fersen herunter. »Sie hat mich geküßt, wissen Sie. Der größte Schock meines Lebens. Schlimmer als damals, als ich
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