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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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Geschichte. Na, es kam so kurz nach Robbie Slater. Er hätte der Champ sein können, aber wer weiß, ich meine, Sugar Ray Leonard erschien auf der Szene, und Duran...«
    Ich schaute über seine Schulter auf Sandinos gespreizte Füße und auf Tonys erhobene Fäuste in den Handschuhen, die über ihm warteten. Der Schiedsrichter stemmte Tony verzweifelt den Arm gegen die Brust, um ihn zurückzuhalten.
    »Robbie ist der, den er geblendet hat. Das heißt nicht, daß er gestorben ist.« Robert drückte seinen Bananenfinger auf einen anderen Ausschnitt mit dem Gesicht eines gutaussehenden schwarzen Fighters. »Robbie Slater. Ein Kampf vor Sandino. Dritte Runde, und sie machten nach der Glocke noch weiter. Die beiden hatten sich von der ersten Runde an ineinander verbissen wie zwei Pitbulls. Nach der dritten hörten sie die Glocke nicht mehr. Na, oder wenn, dann hatten sie keine Lust mehr, darauf zu achten. Langer Rede kurzer Sinn: Slater provozierte ihn, Levi schlug ihn zusammen. Das war Levis Schwäche — sein Temperament. Er konnte sich nicht beherrschen. Slater war über beiden Augen verletzt und kämpfte noch eine halbe Runde mit beidseitiger Netzhautablösung. Proteste folgten, Levi bekam ein Strafgeld aufgebrummt. Slater läuft heute mit einem weißen Stock herum.«
    »Wie hat Slater ihn denn provoziert?«
    »Wie glauben Sie? Mit einer Frau. Levis Schwester zufällig. Slater ging mit ihr, oder besser, er trampelte auf ihr rum, nach allem, was man hören konnte.«
    »Und was ist aus der Schwester geworden?«
    »Hat einen gewissen Curtis Cliff geheiratet.«
    »Wer ist das denn?«
    »Irgendein Geschäftsmann — wohnt unten in Mar-bella.« Robert blickte zu mir auf; ich schaute ihm immer noch über die Schulter. »Woher das plötzliche Interesse am Boxen, Georgina?«
    »Nicht am Boxen, Robert. Na ja, gut, am Boxen und an Tony Levi. Der Typ ist mir ein Rätsel. Er ist clever, aber er ist auch furchterregend. Boxer, na ja...«
    »Glauben Sie, die bestehen nur aus Muskeln? Harte Kerle, die eine Möglichkeit sehen, durch Schlägereien aus der Gosse aufzusteigen und reich zu werden?«
    »Na, ich weiß, daß Tony intelligent ist, aber...«
    Robert sah die Ausschnitte durch und seufzte. »Boxen ist der schönste Sport der Welt. Im Ernst. Es ist eine Kunst, die Kunst der Täuschung. Es geht darum, einem Gegner gerade in die Augen zu schauen und ihm Angst einzujagen. Es ist ein Spiel, in dem der psychologische Vorteil ebenso wichtig ist wie eine verheerende Linke oder eine rechte Gerade. Man zeigt nicht, daß es wehtut. Der andere trifft dich mit seinem besten Schlag, und du tust, als wäre nichts. Wie Ali mal erklärt hat, sagt man damit: Was Besseres kannst du nicht, du Pfeife?«
    Ich dachte an meine abendlichen Sparringkämpfe mit Tony Levi. Wie hatte ich mich in die Defensive gedrängt und bedroht gefühlt. Wie hart hatte ich arbeiten müssen. Er hatte die alten Tricks nicht vergessen.
    Robert hatte sich mittlerweile warmgeredet. »Hören Sie sich an, wie ein Boxer nach zehn Runden im Ring interviewt wird, dann halten Sie ihn für blöd. Er stammelt, er grunzt, sein Vokabular ist kläglich. Er weiß nichts, aber er möchte seinem Manager und seiner Mummy danken. Er ist nackt, er schwitzt, die Rotze läuft ihm aus der Nase. Sein Auge schwillt an, aber das macht ihm nichts. Er wird zerquetscht von seinem Manager, seinen Sekundanten, seinen Kumpels, seiner Familie. Sie sind alle schick angezogen und stürmen auf ihn ein. Er hat gewonnen, und er bemüht sich, klar zu denken, während um ihn herum die Hölle los ist und er seine eigene Hölle gerade hinter sich hat. Er triumphiert. Er ist erleichtert. Er ist high, er sieht widerlich aus.«
    »Okay, das verstehe ich alles, aber es ist nicht das Gegrunze nachher. Danach beurteile ich es nicht. Es ist das ganze Spiel. Es ist korrupt, es ist gewalttätig und roh. Tony Levi paßt nicht in diesen Zirkus«, sagte ich. »Glaube ich wenigstens.«
    Robert blinzelte mit den hellen, bebrillten Augen und fuhr sich mit der Hand durch das strohblonde Haar. Er schüttelte den Kopf. »Sie irren sich. Nehmen Sie Mike Tyson. Sie haben natürlich schon von ihm gehört. Sie haben in der Zeitung von ihm gelesen. Sein Schlag ist so verheerend, daß die Welt glaubt, er kann kein Mensch sein. Er ist kein Übermensch, er ist ein Untermensch. Er ist ein Vieh, und alle seine unerfreulichen Eskapaden außerhalb des Sports werden von der Presse aufgeblasen, um diesen Eindruck zu bestärken. Er kann sich nicht
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