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Liebesbisse

Liebesbisse

Titel: Liebesbisse
Autoren: Claire Castillon
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fragen.«
    »Ich habe eine Geheimnummer!«
    »Ich werde fragen.«
     
    Und wen, bitte schön?
    Noch einer, dem ich Angst mache.

Gebrochenes Herz
    Dies ist die Geschichte zweier Seelen, die aufhören müssen, sich zu lieben. Die eine, weil sie sich alt fühlt, die andere, weil sie verfolgt ist. Der Mann will nichts mehr von der Frau wissen, er findet sie zu jung. Sie hält große Stücke auf ihn, sie will ihn nicht verlieren. Sie sagt, sie könnte sehr viel früher sterben als er, morgen schon könnte sie von einem Perversen umgebracht, von einem Lastwagen überfahren werden. Der Mann sagt, er wisse das alles, doch er findet, er sei zu alt für sie, er weigert sich, weiterzumachen, sie müssen es schaffen, müssen aufhören, sich zu lieben. Sie treffen sich noch einmal, um darüber zu reden. Er wünscht sich, dass sie es versteht. Er sagt ihr wieder die Worte, die aufrichtig aus seiner Seele kommen; sie hört es bestürzt, und wenn die Welt zusammenbräche, es gebe nur ihn, sagt sie.
     
    Etwas ist vorbei, ist in mir schon abgestorben. Etwas hat sich geschlossen, sagt er, und du, du bist wunderbar. Es bricht mir das Herz, meine Schöne, ich wollte dich schon meine Große nennen, du siehst, ich bin lächerlich, selbst meine Worte klingen alt. Außerdem sage ich »Beat-Schuppen«, »Galoschen«, »Pullunder«, »unlängst« und manchmal auch »Liebchen«. Wer kümmert sich um dich, wenn ich morgen sterbe? Es bricht mir das Herz, sieh doch, wie ich aussehe. Ich bin fünfzig, du zwanzig. Geh jetzt bitte. Lass meine Hand los, meine Hübsche, du wirst eine andere finden, eine stärkere, festere Hand, eine, die du brauchst, eine, die du verdienst. Geh. Hast du mich laufen sehen? Neulich habe ich bemerkt, wie du langsamer gegangen bist, damit ich mithalten kann. Ich bin müde. Geh. Ja, ich weiß, dass du mich liebst, das brauchst du mir nicht immer wieder zu sagen. Sei still. Ich bin noch nicht tot, aber ich sage Nein, geh weg.
     
    Sie gehorcht. Sie geht.
    Bumm, spürt sie in ihrem Blut. Sie fällt. Man birgt sie auf der Hauptverkehrsstraße. In ihren Papieren findet man den Namen einer Person, die im Notfall benachrichtigt werden soll, doch der Mann nimmt das Telefon nicht ab. Er glaubt, sie sei es, sie würde ihn anrufen, schon wieder anrufen, und er will nicht, dass sie zurückkommt.
     
    Sie hat keinen Herzschlag mehr, ihre Vene ist nicht in Ordnung. Von einem Pfropf ist die Rede. Sie wird unters Messer kommen, man wird ihr den Brustkorb aufstemmen, den Rücken aufschneiden und ihr Herz herausholen, um es zu kurieren, um sie zu retten. Natürlich kann sie sterben. Ein riskanter Eingriff. Und der Arzt schaudert, setzt ein mehrseitiges Entlastungsschreiben auf, handgeschrieben, schon mit Worten des Bedauerns für den Fall eines Falles. Er warnt, rät zur Vorsicht, sichert sich ab. Es ist nicht sein Fehler, wenn sie während der Operation den Löffel abgibt. Manchmal kann es schiefgehen. Das muss man wissen, es ist eben so. Ich werde damit zurechtkommen, sagt sich die Frau.
     
    Ich werde ohne sie zurechtkommen, sagt sich der Mann und weiß nicht, dass sie ums Überleben kämpft. Er seufzt bei jedem Schritt. Hält sich die Rippen. Mutterseelenallein errötet er, als er sich plötzlich erinnert, dass er einmal gesungen hat, um jünger zu wirken. Im Wagen. Er hatte das Fenster heruntergekurbelt und mit der freien Hand im Fahrtwind mit den Fingern geschnalzt. Doch damals war er noch glücklich gewesen.
     
    Das Herz der jungen Frau kann ganz plötzlich stillstehen, eine Ader kann platzen. Bis zur Operation ist sie vorsichtig, aber vorsichtig wobei, weiß sie nicht, sagt man ihr nicht. Sie läuft weniger, sie atmet nicht tief. Sie bückt sich nicht, spürt, dass sie das nicht soll. Sie stellt sich vor, wie ihre Ader sich biegt und dann bricht, also hält sie sich aufrecht.
    Der Mann erinnert sich an alles und denkt nur an sie, er trinkt, und es wird nicht besser. Hat er eigentlich dumm und jung ausgesehen, als er sie zum Abendessen mit Freunden mitgenommen hat? Und ist ihr klar gewesen, dass er sich unwohl gefühlt hat? Unter dem Tisch hat sie seine Hand genommen und ihm ins Ohr geflüstert: Komm schon, gehen wir, ich will jetzt mit dir zusammen sein, warten wir nicht länger. Sie wusste, dass es nicht lange halten würde.
     
    Als man in ihrer Ader den schlimmen Pfropf gefunden hat, ist sie ruhig geblieben, sie hat so getan, als wäre nichts. Doch nachts spürt sie in ihrem Herzen, wie es schrillt, ein Alarm, eine Feder,
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