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Liebesbisse

Liebesbisse

Titel: Liebesbisse
Autoren: Claire Castillon
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etwas Lebendiges, das sie töten will.
     
    Der Mann trinkt, er trinkt weiter, und wenn ihn jemand fragt, wie es ihm gehe, sagt er, er würde gern das Blut des Mädchens trinken. Das junge Mädchen, sagt er immer wieder zu Leuten, die er gar nicht kennt, und sie denken, er rede Unsinn und sei schon auf dem Weg ins Jenseits. Der Mann schnappt über.
     
    Es ist wie eine Maschine. Wie ein Motor. Eine Pumpe. Man wird ihr Herz herausholen und es im Leerlauf schlagen lassen, während man es repariert. Die Frau würde sich gern ihrem Mann anvertrauen, ihm von den Ersatzteilen erzählen wie der Doktor, allerdings weniger deutlich, sie würde seine Nerven schonen. Sie würde »Operation am offenen Herzen« sagen. Sie wartet, dass er zu ihr zurückkommt. Aber sie traut sich nicht, ihn anzurufen. Sie findet, es klänge falsch, es träfe sich zu gut, wenn sie ihm sagen würde, dass sie vielleicht zuerst stirbt. Sie ist sich jedoch sicher, dass er sie schön finden würde mit ihren bläulichen Venen und den Schläuchen in der Nase, die sich wie eine Kette um ihren kalten Hals schmiegen. Trotz des Alkohols, durch den seine Haut ölig wurde, kann sie die Spuren ihrer Küsse fühlen. Er hat sie so geliebt.
     
    Der Mann nimmt sich das Laken, er geht weg von zu Hause. Eines Tages wird sie herkommen. Doch er wird nicht mehr da sein. Die Schlüssel versteckt er draußen.
     
    Sie verspricht – wem? –, stark zu sein und zu kämpfen. Unweigerlich blickt sie in den Himmel und übergibt ihm ihre Seele. Sie hat Angst vor dem Sterben. Niemand wäre bei ihr, er wartet nicht auf sie. Sie hinterlässt ihm einen Brief, es ist wie ein Vermächtnis; wenn sie nicht überlebt, wird man ihm den Brief überbringen, sicherlich mit einer Träne im Auge, übergestreiften Handschuhen, flachem Atem: Hier, Monsieur, für Sie, weinen Sie, aber quälen Sie sich nicht. Er wird diesen Brief öffnen, anders als alle anderen Briefe, die ihr zurückgeschickt werden, zu mehreren in großen Umschlägen, die sie abwiegt und glaubt, darin ihre Zukunft lesen zu können. Doch er schickt nie eine Nachricht mit der rückgesendeten Post, die er nicht einmal geöffnet hat und in der sie ihm zärtlich sagt, dass es ohne ihn nicht geht.
     
    Der Mann läuft, er trinkt, und das reißt ihn langsam von den Beinen. Er rauft sich die Haare, hält sie in der Hand, stopft sie in seine Taschen, immer wieder holt er sie kurz heraus und streicht damit über seine Wangen. Und wenn er die Augen fest schließt, kann er den Duft des Mädchens riechen. Doch wenn er die Lippen öffnet, um einen Kuss zu empfangen, wenn er den Mund öffnet, um sie einzulassen, raubt ihm das den Atem und er muss husten.
     
    Die Krankenschwester lächelt dem Mädchen zu, der Anästhesist sagt, sie müsse nur bis zehn zählen, dann würde sie schlafen. Versprochen?, fragt sie. Sie hat Angst, noch bei Bewusstsein zu sein, wenn man sie aufschneidet.
     
    Der Mann läuft. Er denkt an sie. Er betrachtet die Leute, Paare mit Kindern. Ihm fehlt etwas am Arm, an der Hand. Er trinkt. Er treibt sich herum. Er trinkt und erinnert sich, trinkt mehr und mehr, wankt, bricht im Sandkasten zusammen. Und die Kinder fragen die Mütter, wollen wissen, ob er beißt, dieser schmutzige Mann, der seit Tagen irgendwo schläft, oft im Wald. Komisch, dass man sich einfach so in ein Laken wickelt.
    Der Operationssaal unten ist bereit. Ein Krankenträger kommt, nimmt das Rollbett der Frau mit dem gebrochenen Herzen. Zeit, sie nach unten zu bringen und es ihr auszureißen.
     
    Ein Ball trifft ihn am Kopf. Der Mann reißt die Augen auf. Er sieht ein kleines Kind, das sich vorsichtig über ihn beugt. Er packt dessen Hand. Ein stechender Schmerz fährt ihm in den rechten Arm. Und sein Herz platzt.
     
    Das andere Herz, draußen, blutet.

Schiefer Haussegen
    Falls Du es nicht weißt, du Idiot, ich bin die Tochter unserer Eltern. Hast Du denn alles vergessen? Wie stellst Du Dir das nun vor mit uns beiden? Du beschuldigst mich, ich würde mich in der Nachlassfrage nicht korrekt verhalten, Du sagst, ich soll das wieder in Ordnung bringen, aber was mischst Du Dich da ein? Ich will diese Kommode. Es ist Papas Kommode. Maman hat versprochen, dass ich sie bekomme. Es gibt keinen Grund, dass Du sie hast. Du hast sie nicht verdient, Du hast keinen Schimmer von dieser Kommode. Und Deine Frau hasse ich.
     
    Ich bitte Dich, beruhige Dich und lass Solange aus unseren Streitereien heraus. Die Arme kann nichts dafür, sie maßt sich überhaupt nichts
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