Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesbisse

Liebesbisse

Titel: Liebesbisse
Autoren: Claire Castillon
Vom Netzwerk:
an, sie spielt lediglich die Rolle der stillen Beobachterin. Aus Dir spricht offenbar die Wut, und ich sage Dir noch einmal, was ich auch in meinem vorhergehenden Schreiben gesagt habe: Du verhältst Dich in der Nachlassfrage unmöglich. Schon bei Papas Tod habe ich die Art und Weise kaum gutheißen können, wie Du seinen Schrank geleert und Mamans Trauer ausgenutzt hast, um sie zu berauben. Ich habe nichts gesagt, ich wollte sie nicht mit irgendwelchen Geschichten verletzen, aber Du bist nicht befugt, Dich zu bedienen. Mitnichten, glaub mir! Du bist traurig, das verstehe ich – und ich erlaube mir hinzuzufügen, dass auch ich es bin –, aber das entschuldigt Dein schlechtes Benehmen nicht. Du führst Dich auf wie eine Xanthippe und brauchst gar nicht mehr darauf zu hoffen, diese Kommode zu bekommen, die ihren Platz neben dem Schrank in meinem Wohnzimmer finden wird, wie Maman es wollte. Nebenbei weise ich Dich darauf hin, dass Du nicht vergessen wurdest. Du hast doch ein Konsoltischchen bekommen. Sei zufrieden und hör auf, Dich bei Deinem Bruder zu beklagen, der immer weniger Wert darauf legt, dies zu sein. Treibe mich nicht dazu, Dir unangenehme Dinge zu sagen. Du würdest es bereuen. Nichts ist mehr, wie es einmal war.
     
    Du konntest noch nie Briefe schreiben, nicht mal einen Aufsatz, immer habe ich Dir dabei geholfen, habe Dir Ratschläge gegeben und bin Dir zur Seite gestanden. Ich weiß genau, dass Solange Dir diese widerwärtigen Worte diktiert hat. Du wirst wohl nie aufhören, mich zu schikanieren. Lass mich diese Kommode wenigstens öffnen und Dir das Schreiben zeigen, das Maman dort ganz sicher heimlich hinterlegt hat, damit ich das Stück erbe – falls Deine Hochstaplerin es nicht längst entfernt hat. Ich glaube kein Wort von dem, was Du über die notarielle Aufstellung des Nachlasses erzählst. Ich weiß, dass Du lügst. Die Möbel waren gekennzeichnet. Und ganz zufällig haben sich diese Etiketten nun von selbst verflüchtigt! Wie konntest Du Dich nur so verändern? Du warst ein Lausbub, aber böse warst Du nicht. Ich will meine Kommode – in der Papa seinen Plattenspieler und seine Lieblingsplatten aufbewahrt hat und die Dir immer vollkommen egal gewesen ist. Ich will sie und ich werde sie bekommen, selbst wenn sie kaputt ist, selbst wenn nur noch die Bretter übrig sind. Hast du verstanden?
     
    Hör auf, derartig Krach zu schlagen. Wir kriegen auch so alles mit, und wir sind alle entsetzt, Deine Neffen inbegriffen, das kann ich Dir sagen, wir sind schockiert über den Unsinn, den Du daherredest. Wir werden Dich aus der Familie ausstoßen, man könnte fast meinen, Du willst es nicht anders, und Du ahnst ja nicht, wie sehr Du es verdienst!
     
    Wie kannst Du es nur wagen, unsere Kindheit so schlechtzumachen? Gib mir meine Kommode zurück! Diese Kommode ist mein Leben! Sie symbolisiert Papa und Maman als Paar.
     
    Du hast den Sekretär bekommen.
     
    Papa hat immer schon gesagt, dass Du mich mit Deinen Tricks fertigmachen wirst.
     
    Wir waren zehn Jahre alt. Bring nicht alles durcheinander. Und was Papa angeht, bist Du besser still!
     
    Du hast mir gar nichts zu befehlen. Ich bringe nichts durcheinander, und wenn, dann bringe ich durcheinander, was ich will.
     
    Zum letzten Mal: Sieh es endlich ein: Deine Reaktion ist dumm und bedauerlich. Du siehst eine Gemeinheit, wo es keine gibt. Ich habe lediglich Mamans Anweisungen buchstabengetreu befolgt. Es ist unwürdig, dass Du gegen ihr Testament aufbegehrst. Nimm Dich ein wenig zusammen und ehre ihr Andenken. Dein Mann ist weg. Langsam begreife ich, was ihn in den Groll getrieben und in die Flucht geschlagen hat.
    Deine Ausdrucksweise ist albern. Ich erinnere Dich daran, dass Du gerade mal die Hauptschule geschafft hast – also überlass den Groll jenen, die ihn auch im Satz zu platzieren wissen, und dazu zählt ganz bestimmt nicht diese ewige Jasagerin Solange. Und wenn Du es genau wissen willst: Ich habe meinem Mann gezeigt, wo die Tür ist, und zumindest hat er sich nicht erlaubt, meine Sachen mitzunehmen. Meine Liebesbeziehungen haben mit unserer Angelegenheit überhaupt nichts zu tun. Du hast Dich ja schon immer über meine Freunde lustig gemacht, sicherlich aus Deinem Besitzdenken heraus, aber keiner von ihnen hat mich je bestohlen. Denk an Papas Aufrichtigkeit und sieh Dich im Spiegel an und dann frag Dich, ob Du wirklich dem Sohn gleichst, den er verdient hat.
     
    Besitzdenken? Ich? Deine Geschichten sind mir piepegal. Wie hat Papa
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher