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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Bogenlampe, ihre Haare waren kürzer, als ich sie in Erinnerung hatte, sie las in einer Zeitschrift und runzelte
     dabei die Stirn, sie war es, kein Zweifel, eine Hand lag auf der Tischplatte, und sie ging mit dem Finger gedankenverloren
     den Henkel der Kaffeetasse nach, immer wieder, und als mich die Kellnerin mit dem Hut ansprach, schüttelte ich automatisch
     den Kopf, ich hatte ihre Worte nicht verstanden, ich entdeckte den Ring an ihrem Finger, trotz der Schatten brach sich das
     stumpfe Licht am Silber, dort war die Frau, die mir das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte, wegen ihr war ich hier, hier
     in der Kleinstadt. Sie sah auf, und ich schaute sie an, sie schaute zurück, ich näherte mich ihr langsam, um ihr die Zeit
     zu lassen, die sie vielleicht brauchte, erkannte sie mich wieder, so wie ich sie wiedererkannte? Ich setzte mich an ihren
     Tisch, ohne zu fragen, ohne eine mögliche Abweisung abzuwarten, und sie sprach kein Wort, sie strich eine Strähne hinter das
     Ohr, in der Mulde zwischen Nase und Oberlippe entdeckte ich einen Lippenstiftstrich, wahrscheinlich hatte sie auf der Toilette
     schnell ihr Make-up aufgefrischt, so |93| wie es Frauen tun, die nicht in Eile sind, aber routiniert genug, um sich vor fremden Toilettenspiegeln frisch zu machen.
     Als hätte sie meine Gedanken gelesen, holte sie aus ihrer Handtasche einen Cremetiegel hervor, schraubte die Kappe ab und
     strich Balsam auf die Lippen, diesmal schaute sie nicht in einen fremden Spiegel, sie schaute in das Gesicht eines fremden
     Mannes, und mir fiel wieder ein, daß die Schnittwunden zwar verheilt waren, daß sich aber gut ein Dutzend kleine lange Narben
     über mein Gesicht zogen – war ich entstellt, konnte ich mich ihr wirklich zeigen? und sie klopfte gegen das Tiegelglas und
     sagte: Damit hat man früher die Hufe der Pferde weich gemacht, ich konnte mich von ihrem Anblick nicht losreißen, ich hätte
     sagen können: Ja, ich weiß, doch ich hätte gelogen; ich hätte sagen können: Ich habe mich nach dir gesehnt, doch ich hätte
     damit die Wahrheit ausgesprochen, jede Antwort brachte eine Komplikation mit sich, sie sollte es leicht haben, es sollte so
     leicht wie Wassertrinken sein, mir ein zweites Mal zu begegnen.
    Ich weiß, sagte sie, wir sind uns kurz begegnet.
    Es ist nicht so lange her, sagte ich, und weil die Kellnerin mit dem Strohhut auftauchte, fragte ich sie, ob ich sie zu einem
     Getränk einladen könnte, sie bestellte einen Wein, ich bat um eine Halbliterflasche Mineralwasser.
    Es ist kein Zufall, daß du hier bist.
    Nein, sagte ich, ich habe den Unfall überlebt, ich hatte keine Alpträume deswegen, ich bin dann zurückgekehrt, zu Hause habe
     ich es nicht ausgehalten, ich mußte daran denken, wie …
    Ich weiß, sagte sie wieder, wie gefällt dir meine Stadt?
    Ich habe mir Prospekte besorgt, sagte ich, ich habe mich ein bißchen umgesehen. Nur fürchte ich, ich bin nicht der übliche
     neugierige Tourist.
    |94| Meine Stadt ist bekannt für den Bleichspargel. Es gibt regelmäßig einen Spargelmarkt auf dem Platz am Spargelbrunnen.
    Bleichspargel?
    Im Gegensatz zum Grünspargel, sagte sie, weißt du, wie man erkennt, ob der Spargel frisch ist?
    Nein.
    Man reibt zwei Spargelstangen aneinander, sagte sie, wenn ein heller Ton erklingt, kann man zugreifen.
    Wieder etwas dazugelernt, sagte ich dumm, ich lehnte mich zurück, als die Kellnerin von rechts die Wasserflasche auf den Tisch
     stellte, sie baute sich dann umständlich hinter ihr auf, fast wäre ihr dabei das Weinglas auf dem Tablett umgefallen, sie
     eilte mit hochrotem Kopf zurück zum Tresen.
    Ich hasse es, anzustoßen, sagte sie und nahm einen Schluck, ich heiße Tyra, der Name ist von Thor abgeleitet.
    Ich heiße David, sagte ich.
    Du bist doch kein Deutscher, sagte sie.
    Doch, ich bin eben etwas später dazugekommen ...
    ... Und hast einen deutschen Namen angenommen.
    Nein, sagte ich, nur aus einem U ein I gemacht.
    Du bist also praktisch veranlagt … nein, du denkst einfach pragmatisch.
    Ja.
    Was willst du von mir? sagte sie, ich weiß nicht, ob es mir gefällt, daß wir zusammensitzen. Ein Gerücht verbreitet sich sehr
     schnell. Wer weiß, vielleicht muß ich meinem Mann heute noch Rechenschaft ablegen.
    Sie hatte also einen Mann, und sie hatte es mir unmöglich gemacht, auf ihre Frage zu antworten, was konnte ich schon wollen,
     und wieso übersprang sie die erste Phase der Annäherung, ich war so naiv, an die kleinen Schritte zu glauben, wenn es

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