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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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abgeschlossen und wollte mich verabschieden, da kam er hinter
     der Litfaßsäule hervorgeschossen. Ich habe ihm ein paar geklebt. Wenn er auf Gegenwehr stößt, haut er ab.
    Der Kerl ist gefährlich, sagte ich, und sie schauten mich alle an, auch die Gäste am Nebentisch hatten der Unterhaltung gelauscht,
     ich war nicht besänftigt, ich konnte sie nicht beruhigen, aus dem Augenwinkel sah ich, wie Malwin die Augen verdrehte, denn
     schlechte Werbung konnte er nicht gebrauchen.
    Er hat mir die Kehle zugedrückt, sagte ich ihm.
    Und wir haben ihn dafür bestraft, sagte er und stand auf. Er verschwand hinter seinem Tresen, trocknete an einem Geschirrtuch
     seine schweißfeuchten Hände.
    Der Abend ist verdorben, sagte Sascha, die Reiseagentin widersprach ihm sofort, er vergälle ihr mit seinen unappetitlichen
     Bemerkungen die Freude, was war nur mit den beiden los, er wollte aufbrechen, sie bestellte aus Trotz den selbstgemachten
     Rhabarberkuchen. Ich saß da – ich wäre fast tödlich verunglückt, man zwang mich, die Liebe aus meinem Herzen zu löschen, ein
     Geistesgestörter hatte mich hinterrücks angefallen, ich aber saß einfach nur da, lauschte nicht der Musik, lauschte nicht
     den Gesprächen, ich rieb mir den Hals, starrte gedankenverloren auf den Kuchenteller der Reiseagentin.
    Hast du Hunger?
    Was? Ach so, nein, entschuldige, ich wollte dir nicht aufs Essen starren.
    Ich gebe dir gerne etwas ab, sagte sie.
    Sascha ertrug es nicht länger, er hatte verstanden, er schlüpfte in seine Jacke und eilte grußlos davon.
    Bald lasse ich mich von ihm scheiden, sagte sie.
    Es geht mich nichts an.
    |85| Er tut die ganze Zeit so, als wüßte er über alles Bescheid, fuhr sie ungerührt fort, ich habe ihn vor der Heirat gewarnt,
     klug sind wir alle, habe ich ihm gesagt, spiel’ bitte nicht den Extremisten. Gut, wechseln wir das Thema.
    Das alles geht mich nichts an, sagte ich und verließ den Tisch und das Kaffeehaus, viel später im Bett aß ich zwei Pflaumen
     und eine Birne, mein Bauch spielte verrückt, ich löschte das Licht und lauschte meinem Magen. Ich hatte angefangen, mich zu
     sehnen.

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    Ich ging meine Sehnsucht an wie ein leidenschaftlicher Frühaufsteher, der sich über die Kraft seiner Morgenrituale zu stärken weiß, ich hatte in weniger
     als einer Stunde einen Wagen organisiert, es hatte genügt, einen guten Bekannten anzurufen, den Besitzer einer Raritätenstube,
     und ihm von einer dringenden Sache zu erzählen, die keinen Aufschub duldete. Seltsam, wenn ich mich an Floskeln und alltagsübliche
     Wendungen hielt, schwand der Widerstand der Menschen, ich konnte sie belügen, ich mußte nur die Form wahren. Ich fuhr mit
     dem vollgetankten Leihwagen los, die Eiseskälte schreckte die Männer und die Frauen nicht ab, ich sah langsame Bürger im Stau
     und in der Schlange, ich nahm die Hauptstraße und lenkte das Auto um Schwertransporter, die in zweiter Reihe geparkt hatten,
     dann nahm ich die Autobahnausfahrt nach Hamburg. Ich klappte die Sonnenblende herunter und schaltete das Radio ein, die Zuhörer
     wurden nach ihrer Meinung zu einem bekannten Schlagersänger gefragt, er hatte Geburtstag, fünfundsechzig Jahre alt und vierzig
     Jahre auf der Bühne, ein Mann verwünschte ihn in derben Worten, es wäre eine große Schweinerei, rief er zornig, sich mit röhrender
     Stimme und Kindermelodien in die Herzen der Frauen einzuschmeicheln. Schöne neue Demokratie – das Volk ist doch nur dazu da,
     sich Reden und Lieder gefallen zu lassen und sonst den Mund zu halten. Aber dieser Mann sah es nicht ein, und als er alle
     Rundfunkanstalten dazu aufrief, die Abscheulichkeit |87| aus der Welt zu schaffen, kappte der Moderator einfach die Leitung. Eine Vorzensur findet bei uns nicht statt, sagte er, wir
     werden jetzt dem sehr erfolgreichen Schlagersänger ein Geburtstagsständchen darbringen … ich drehte am Knopf und wechselte
     den Sender. Der Verkehrsfunk meldete eine ungesicherte Baustelle auf einer Strecke, die ich nicht befahren würde, und zwei
     kleine Unfälle, in die ich nicht verwickelt war, ich bekam gute Laune und sah auf die Haarspange auf dem Beifahrersitz, es
     war ihre Haarspange, und ich fuhr in ihre Kleinstadt.
    Kurz vor Hamburg machte ich halt an einer Raststätte, die Fahnenmasten wiegten sich sachte in ihrer Verankerung, und ich freute
     mich darüber, daß ich im Trokkenen sitzen und den heftigen Regenschauer beschauen konnte, es regnete, und ich wurde nicht
     naß.

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