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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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sich rührend um mich gekümmert, aber ich dachte, diese Leute
     kontrollieren mich, sie wollen, daß ich Anstand wahre, dafür geben sie jeden Abstand auf … Ich habe es nur vier Monate ausgehalten,
     dann zog ich um.
    Die Neugier bringt die Menschen um, sagte ich.
    Das mußt ausgerechnet du sagen.
    Ich kann auch gehen, sagte ich, ich bin kein verdammter Eindringling.
    Doch, das bist du, sagte sie, forderte mich aber nicht dazu auf, sie in Ruhe zu lassen, ich bekam leichte Kopfschmerzen, es
     lag an dem Wetterumschwung, würde ich ihr verraten, daß ich wetterfühlig war, würde ich |98| ihr einen Grund liefern, sich über meine unerbetene Selbstauskunft zu beschweren.
    Hier, sagte ich, sie ist dir vom Haar gefallen.
    Sie starrte auf die Spange in meiner Handkuhle, und als ginge es um einen scharfen Glassplitter, griff sie vorsichtig danach,
     betastete sie.
    Ich werde sie wegwerfen, sagte sie, ich bin dabei, die Dinge aus Plastik aus meinem Leben zu verbannen … Du weißt nichts von
     mir.
    Ich bin kein Forscher, sagte ich, ich habe angefangen, mich nach dir zu sehnen. Mein Leben ist kaputt. Meine Beziehung ist
     kaputt.
    Was hätte ich ihr nicht alles über mich verraten können! Alles in meiner Nähe platzte auf wie alter Lack, und ich selbst kannte
     mich in der Kunst aus, die Schönheit mit einem Handstreich zum Platzen zu bringen. Jetzt saßen sie und ich einander gegenüber,
     und wir sprachen in gottverflucht zivilisierten Worten, das Richtige fing falsch an und würde falsch enden, was für eine Verschwendung.
    Es wäre eine Verschwendung, wenn wir uns einfach so trennten, sagte ich.
    Ich habe meinen Wein noch nicht ausgetrunken, sagte sie.
    Du hast dir die Haare kürzer schneiden lassen.
    Mein Friseur besteht darauf, sagte sie, ich komme nicht gegen ihn an. Hier begegnet man sich oft auf der Straße. Der Friseur
     ist ein bißchen aufdringlich.
    Er hält sich seine Kundinnen warm, sagte ich.
    Vielleicht.
    Wird man es deinem Mann zutragen, daß du dich mit einem Mann getroffen hast?
    Das geht dich nichts an, sagte sie heftig und strich sich die lose Strähne wieder hinter das rechte Ohr, du willst mich doch
     ausforschen.
    |99| Ich griff nach meiner Börse, holte einen Zwanzigeuroschein heraus und legte ihn auf den Tisch, dann stand ich auf und verließ
     das Café, fast wäre ich mit der Kellnerin mit dem Strohhut zusammengestoßen, doch ich wich ihr gerade noch aus, und schon
     war ich auf der Fußgängerstraße dieser Kleinstadt mit ihren besonnenen Frauen, die sich nichts vormachen ließen, sie steckten
     in festen Verhältnissen, ihre Grundversorgung war gesichert und ihre Freizeit finanziert, kein Mann konnte eine kluge Frau
     aus dieser Kleinstadt mit Exotik locken, sie kauften exotische Früchte auf dem Wochenmarkt ein und fuhren, wenn ihnen der
     Sinn danach stand, in fremde Länder, dann waren sie von ihrem Nienburger Leben beurlaubt, und was dort geschah, konnte kein
     Einheimischer auf den Urlaubsfotos entdecken.
    Tyra hieß sie, ich hatte noch nie diesen Namen gehört, wahrscheinlich hatte sie mich die ganze Zeit auf eine falsche Fährte
     gesetzt und auch einen falschen Namen angegeben. Dann nicht, dann nicht auf diese Weise, sterbt doch an eurer Angst. Der Wind
     zerrte an meinem Mantel und zauste mir die Haare, ich achtete nicht darauf, ich wurde mit jedem Schritt wütender, wie konnte
     sie nur denken, daß es ein Trick war, wenn ich ihr gegenübersaß und nichts weiter forderte – als nur eine Möglichkeit, einen
     Anfang. Ein kleines bißchen von etwas anderem als das immergleiche. Zum Ehebrecher fehlte mir das brennende Verlangen, ich
     hatte doch nur angefangen, mich zu sehnen.
    Es war nicht einfach, in der Dunkelheit den Weg zurückzufinden, ich schlug mal diese, mal jene Richtung ein, und dann stand
     ich vor dem Parkhaus, ich bezahlte die Gebühr am Automaten, stieg in den zweiten Stock, und als ich im Auto saß, schlug ich
     die Sonnenblende hoch, am liebsten hätte ich die Sitze und die Reifen zerstochen, und es half auch nichts, ein paar Male tief |100| ein- und auszuatmen, ich startete den Wagen, und als es gegen das Seitenfenster klackte, zuckte ich zusammen, erst sah ich
     ihren Ring, dann sah ich sie, sie ging um das Auto und stieg ein, sie forderte mich auf, loszufahren, und dann gab sie mir
     die Richtung vor, wir fuhren aus der Stadt heraus und nahmen die Straße, die nach Hannover führte, und nach einer Viertelstunde
     Fahrt, in der sie kein einziges Wort

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