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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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sie sich bei der kleinsten unanständigen Berührung sofort auf die andere Seite
     gedreht hätte. Ich habe noch nie so oft das Wort obscene gehört, es klingt mir immer noch im Ohr. Plötzlich verstand ich das
     triebgesteuerte Verhältnis des Vaters zu seinen Nippes-Hippopotamussen, das arme Schwein, das, ihm war jegliche Lust versagt
     und verboten, Libido null und kaputt, und ich entschuldigte mich und ließ mir den Weg zur Toilette weisen, ich schloß artig
     ab, stellte mich vor die Toilettenschüssel, ich stand vor einer Frottee-bezogenen Klobrille und dachte: ist recht. Dann war
     ich wieder zurück, und ich sah meine Freundin, die mir nur eine dreiviertelplatonische Liebe versprach, vor der beleuchteten
     Glasvitrine mit den Nilpferden sitzen, und weißt du, worüber sie sich mit mir unterhielt?
    Nein, sagte ich.
    Sie fragte mich folgendes: Wie heißen beim Nilpferd Männchen und Weibchen? Ich: Nilstute. Nilhengst. Sie: Nein, das Weibchen
     heißt Nilkuh. Daraufhin ich: Dann muß der Nilmann doch Nilrind heißen. Sie: falsch, Nilbulle.
    Wirklich?
    Ja, der Nilmann heißt tatsächlich Nilbulle.
    Nein, sagte ich, ich meine, sie hat sich wirklich darüber mit dir unterhalten?
    |146| Ich erzähle doch keine Geschichten, sagte Gabriel, dabei hat sie kleine Hautfetzen von der Lippe gezupft, genauso wie ihre
     Mutter.
    Dann bist du nicht zurückgefahren, weil dir das Geld ausgegangen ist.
    Das Geld wurde knapp, das stimmt schon, sagte er, aber der eigentliche Grund ist Verzweiflung.
    Wie konntest du dich aus der Affäre ziehen?
    Gar nicht so einfach, fuhr er fort, eigentlich ist uns allen dort im Wohnzimmer aufgegangen, daß die Bräutigamschau in die
     Hose gegangen ist, und da zog die Mutter ganz andere Saiten auf, sie sprach und ihre Tochter übersetzte, also sprach die Tochter
     davon, daß alles vergänglich wäre, vor allem aber war ein Mann vergänglich, der sich in einen fremden Haushalt einschlich
     und die Insassen des Hauses täuschte.
    Hat sie von Insassen gesprochen? sagte ich.
    Sie hat.
    Das Irrenhaus.
    Ein Versprecher, sie hat sich einfach nur versprochen, aber viel wahrscheinlicher ist es, daß ihr klarwurde, wie schlecht
     sie es mit mir getroffen hatte, und deshalb, allein deshalb fing sie an, immer achtloser zu übersetzen, nein, ich glaube,
     sie ist dazu übergegangen, ihren eigenen Text zu übersetzen, für mich, den Fremdsprachler, sie tat so als ob, ließ ihre Mutter
     sprechen, um dann ihre eigenen Worte in für mich verständliches Englisch zu übertragen. Sie sagte: obscene! mein Auftritt
     in diesem Hause wäre unanständig, ich hätte mich verkleidet, und sie forderte mich im Namen des Vaters und der Mutter und
     in ihrem Namen auf, sie sofort zu verlassen.
    Du hast es getan, sagte ich.
    Ja, natürlich, sagte Gabriel, ich ging wortlos weg. Mir schoß es durch den Kopf, den Hippopotamus unter den |147| Arm zu klemmen und wegzulaufen. Aber ich habe mich nicht getraut.
    Verdammt, verdammt, verdammt, rief ich aus.
    Ein weißer kanadischer Hirtenhund grub in unmittelbarer Nähe ein Loch, und seine Hinterläufe streuten die Erdbrocken über
     den Terrassenboden und über meine blankpolierten Schuhe, ich stemmte mich hoch und ging ein paar Schritte auf Abstand, Gabriel
     blieb sitzen, ihm machte es nichts aus, er würde mit getrockneten Schlammklumpen am Hosenbein herumlaufen und erst in einer
     Woche seine Hose zur Reinigung bringen. Wenn man ihn auf sein nachlässiges Äußeres ansprach, zuckte er mit den Schultern,
     er zog Pullover auch dann noch an, wenn sie an den Ellenbogen durchgescheuert waren, er trug teure Hemden, die er in Sonderschlußverkäufen
     erstand, und billige Schuhe aus Lederimitat, die er in Supermärkten kaufte. Sie platzten an der Ferse auf, die halbe Sohle
     hing schlaff herab, doch er machte sich nichts daraus, denn er hatte die Erfahrung gemacht, daß es kein strapazierfähiges
     Textil gab, und die Werbung konnte ihn mal gerne haben.
    Sie ist mir dann doch hinterhergelaufen, sagte er.
    Der Hirtenhund hatte fast einen Schützengraben ausgehoben und tollte weiter unten am Strand, ich nahm wieder Platz.
    Es tat ihr leid, sagte ich.
    Nicht ein bißchen. Sie hat mich umarmt, fast erwürgt, eine Frau hat Kräfte, die sie meistens versteckt, aber in dieser Situation,
     draußen vor dem Haus ihrer Eltern, drückte sie mich fast tot, sie umschloß mich um den Bauch und die unteren Rippen, es war,
     als hätte sie sich darauf vorbereitet, ich konnte mich jedenfalls nicht vom

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