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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Autos unter Wert verkauft. Der Händler bot wie ein legaler Hehler die Ware an und machte sehr gute
     Geschäfte. Gabriel blieb vor einem VW-Lastentransporter stehen, auf |153| dem Hartplastikschild war der Preis mit zweitausendachthundertneunzig Euro ausgewiesen, ich verstand nichts von Autos, und
     Gabriel wußte das.
    Der LT ist zu einem Wohnmobil umgebaut worden, sagte er, das Tolle daran ist: Außenlänge gleich Innenraum. Die Schlafkabine
     befindet sich oben im Aufsatz. Sehr schlecht. Wer will nachts in einem Sarg liegen? Ich jedenfalls nicht … Du siehst aus wie
     vom Baum geschüttelt, reiß dich mal zusammen!
    Mir geht’s prächtig, sagte ich und folgte ihm in die Arbeitsbaracke, die Empfangsdame war keine Frau, aber ein Mann, der aussah,
     als hätte er mit zwei Kornglasböden und Draht seine Brille gebastelt, er starrte durch seine Brenngläser auf uns, und als
     wir stutzten, wandte er sich ab und vertiefte sich in die Lektüre der Preisliste, die er seltsamerweise mit dem Daumen abfuhr,
     Gabriel ging an ihm vorbei, und da er nicht aufgehalten wurde, folgte ich ihm in die halbverglaste Kabine des Chefs, der ein
     guter Bekannter Gabriels war, ich schüttelte seine Hand, und er bestellte Kaffee für uns alle. Er sah furchteinflößend aus,
     es gab Männer, die großtaten, aber nichts weiter waren als Attrappen eines Messerhelden, und dann gab es Männer wie diesen
     Autohändler, der nie in die Leere austeilte, er hatte sich im Laufe der Jahre jede Regung der Schwäche aus dem Leib gedrillt,
     denn er glaubte, daß der Quell der Miseren die Schwäche wäre. Sein kahlgeschorener Schädel wurde vom Neon der Lichtleiste
     beflackert, hinter ihm steckte die geneigte Stange einer Südstaatenfahne im Metallsockel – der Händler war hart, er ging einem
     Gelderwerb nach, der rabiate Auftritte erforderlich machte. Eine Handspanne über seinem Kopf hing ein Schild an der Wand mit
     der Aufschrift: Geld sorgt für eine große Reichweite.
    Ich brauche ein Auto, sagte Gabriel.
    Einen LT? sagte der Händler.
    |154| Ja und nein, sagte Gabriel.
    Das gibt’s bei mir nicht zu haben.
    Ein Kombi täte es auch.
    Hab’ ich nicht im Angebot.
    Und einen LT?
    Hab’ ich Ende nächster, Anfang übernächster Woche im Angebot, sagte der Händler.
    Preis? sagte Gabriel. Können uns einigen.
    Hoffentlich etwas weniger als das Übliche.
    Jeder will seinen Hintern an die Heizung bekommen, stellte der Händler fest.
    Und, ist’s besser geworden? sagte Gabriel.
    Ich spür’ die Kälte in den Knochen, sagte der Händler, früher hab’ ich jeden im Ring umgehauen, bis ich ohne Gegner dastand.
     Das Amateurboxen ist das Wahre. Heute dreh’ ich andre Dinger. Ich schwätze wie ein Hotelpikkolo und rede mit Typen, die ihre
     Schuhe mit Spucke polieren.
    Schlecht, sagte ich, der Autohändler schaute mich an, und als er sicher war, daß ich keine weiteren Bemerkungen machen würde,
     wandte er sich Gabriel zu.
    Dein bester Kumpel hat ein Problem, sagte er.
    Ich bin anwesend, sagte ich.
    Du hast ein Problem, sagte der Händler, du kannst was dagegen tun. Klopf’ die Vene in deiner Armbeuge auf und spritz’ dich
     glücklich.
    Ich verstehe nicht.
    Genau, sagte der Ex-Amateurboxer, es verstrichen einige Minuten, in denen ich mit mir kämpfte: Sollte ich zu einer Gegenrede
     ansetzen und meine Rede mit einer Weisheit beginnen? Gleich getan ist gut gespart, könnte ich bemerken, denn der Mann war
     vor allem ein Geschäftsmann, der mich aus irgendwelchen Gründen nicht sympathisch fand, doch ich hatte das Gefühl, |155| daß nichts und niemand ihn von diesem ersten Eindruck abbringen konnte, den er von mir gewann, als wir drei uns vor Monaten
     getroffen hatten. Er hatte es damals ausgesprochen, er mochte keine Geschäftsmänner, die ausstiegen, um vom sauer verdienten
     Geld zu zehren, Geld wurde nicht aufgebraucht, Geld wurde investiert, und wer gegen diese Logik verstieß, war in seinen Augen
     ein Rummelplatzboxer, den man mit einem Faustschlag zu Boden strecken konnte. Dummerweise hatte ich ihm damals widersprochen,
     und seitdem glaubte er, ich hätte ein durchaus lösbares Problem, als Beispiel für lösbare Probleme hatte er einen Jungen in
     der fünften Klasse erwähnt, der mit dem langen Fingernagel seine Initialen in das weiche Holz der Schulbank ritzte, der Händler
     war damals auch Grundschüler und war auf den Jungen zugegangen und hatte ihn ermahnt, nach der dritten Ermahnung hatte er
     ihm auf den Kopf gehauen und

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