Liebesbrand
Fleck bewegen, ich mußte es erdulden. Du mußt
doch ein Einsehen haben, sagte sie laut, du kannst doch nicht vor dich hinleben, ohne dir einen Begriff von einem |148| guten schönen Leben zu machen, sie wimmerte und sprach, und ich rang nach Luft, sie hat mich an Ort und Stelle exkommuniziert,
auf ihre Weise aus der Kirche der prüden Brüder und Schwestern ausgeschlossen. Ein Mann ist dazu da, daß er zeugt. Eine Frau
ist dazu da, daß sie gebärt, und Mann und Frau verbringen eine schöne Zeit mit ihren Kindern, so hat sie ungefähr gesprochen,
mittlerweile hatte sie mich losgelassen, denn ihre Mutter kam dazu und tätschelte ihre Wange, und der Ehering der Mutter strich
dabei über das Gesicht der Tochter. Sie bekam Trost von höherer Stelle. Und als der Vater aus der Wohnung hinausrief, man
sollte die Kälte der Straße nicht ins Haus hineinziehen lassen, im lupenreinen Englisch, haute ich ab, sie hatten sich über
mich lustig gemacht, sie hatten ihren Spaß gehabt.
Bitter, sagte ich.
Wir erhoben uns von unseren Stühlen und stiegen in den Leihwagen, den Gabriel für einen Monat gemietet hatte, wieder so eine
Geschichte, dachte ich, er hatte sie mir auf der Fahrt zum Strand erzählt, und ich hatte ihm gesagt, er wäre seinem Namensgeber
irgendwie schon anverwandt, der Erzengel war der Bote der Verkündung, und er, mein bester Freund, der hilfsbereite Depp, der
alles stehen- und liegenläßt, wenn eine schöne Frau um Hilfe bittet. Die Geschichte ging folgendermaßen: Gabriel fährt enttäuscht
und wütend nach Hause, unterwegs trifft er eine Bekannte aus alten Tagen, sie ist geschieden und kommt aus dem Urlaub, sie
hat einen kaputten Kühlschrank, der entsorgt werden muß, eigentlich hätte sie ihn vor dem Urlaub wegbringen müssen, aber ihr
Auto ist zu klein, sie klimpert mit den Wimpern, und Gabriel, stolzer Besitzer eines Fiat Ducato, also eines italienischen
Kastenwagens, bietet ihr sofort seine Hilfe an. Sie fahren von der Autobahn |149| ab, sie fährt vor und er hinterher, für Gabriel bedeutet diese Aktion einen Umweg von fast zweihundert Kilometern, aber er
ist ein Kavalier und muß sich von der römisch-katholischen Südländerin erholen, im Vergleich dazu sind deutsche Frauen wunderbar
klar und wunderbar unkompliziert. Gabriel stemmt mit Hilfe eines eilig herbeitelefonierten Schönlings den Kühlschrank drei
Stockwerke herunter, der Schönling stellt sich als der frischverliebte Freund der Bekannten heraus, zu diesem Zeitpunkt kann
Gabriel schlecht einen Rückzieher machen, die Rückenschmerzen ignoriert er, er fährt den Kühlschrank heldenhaft zum Abfallwirtschaftshof,
die Bekannte und ihr neuer Freund haben sich entschuldigt, Gabriel gibt den Kühlschrank brav ab, fährt enttäuscht und wütend
durch die Stadt, auf der Suche nach der verdammten Autobahnausfahrt, und dann passiert es an einer roten Ampel: Der Fiat Ducato
schüttelt sich einmal, zweimal, und es geht gar nichts mehr. Gabriel ruft den ADAC, der Pannenhelfer stellt fest, daß der
Zahnriemen gerissen ist. Motor kaputt. Der Abschleppwagen fährt das Auto weg, der Pannenhelfer fährt Gabriel zur örtlichen
Leihwagenfiliale, der Kavalier kann seine Fahrt mit einem Leihwagen fortsetzen, den er für einen Monat und für knapp tausend
Euro mietet.
Ich muß nach Prag, sagte ich, eigentlich wollte ich mich sofort auf den Weg machen. Doch dann bist du aufgetaucht.
Das hat noch Zeit, sagte Gabriel. Mit seinem alten Wagen konnte er früher maximal hundertzehn fahren, jetzt genoß er es, auf
das Gaspedal zu drücken, er wechselte immer wieder die Spur und überholte Angestellte in Neuwagen, die sich peinlich genau
an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielten.
Liebe kann warten? sagte ich.
|150| Hör mal, setzte er an, ich kenne jetzt den Hergang der Ereignisse. Sie ist in festen Händen. Sie hat alles, was eine moderne
Frau braucht: eine unglückliche Ehe, Mutterschaft, eine intellektuelle Beschäftigung, einen Doktorvater, der sie in eine Stadt
mitnimmt, die die Bürgerlichen sehr lieben. Und was bist du für sie? Ein Idiot, ein Steigbügelhalter, ein zweitklassiger Romeo.
Du machst dagegen alles richtig, sagte ich.
Das habe ich nicht behauptet, sagte er und fuhr auf die Überholspur, wir sind jetzt bei deinem Fall von Irrsinn. Sie hat dich
längst vergessen.
Da wäre ich mir nicht so sicher.
Wir reden von ihr, nicht von dir.
Ich bringe mich wieder in Erinnerung, sagte ich,
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