Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
deshalb will ich nach Prag.
    Nette Geste, sagte Gabriel, sie wird gerührt sein – denkst du. Wenn du vor ihr stehst, wird sie dich für einen Stalker halten.
     Du hast dir alles schön ausgemalt. Du erklärst ihr deine große Liebe, sie wird weich und schließt dich in die Arme. Sie jagt
     ihre Pläne zum Teufel, denn sie hat nichts Besseres zu tun, als auf einen ausgebrannten Ex-Börsensöldner zu warten.
    Ich bin nicht ausgebrannt, sagte ich.
    Doch, das bist du. Sonst würdest du dich nicht verzweifelt an eine Mutter von zwei Kindern klammern. Sie wird dir nicht erlauben,
     ihre Pläne zu durchkreuzen.
    Ich will sie ja nicht ändern.
    Klar, sagte Gabriel, du willst nur eine Frau fürs Bett. Das Problem mit euch Romantikern ist, daß ihr alles mit Puderzucker
     bestäubt. Im harten Licht seid ihr nicht besser als solche Männer wie ich. Ich stolpere von einer Pleite in die nächste. Aber
     wenigstens weiß ich, was ich will, und verkläre nichts.
    Eine Frau fürs Bett, sagte ich.
    |151| Und wenn ich Glück habe, mag sie mich für eine Weile. Dann kommt ein Bewerber, von dem ich weiß, daß er mein Nachfolger sein
     wird. Ob ich will oder nicht, ich werde früher oder später von einem Mann abgelöst, von dem meine Noch-Freundin sagen wird,
     daß er besser und aktiver ist als ich.
    Das klingt aber sehr pessimistisch, bemerkte ich.
    Und du redest wie ein billiger Therapeut, sagte Gabriel.
     
    Wir waren unterwegs nach Neumünster, der aufgeklärte Kavalier wollte sich einen Nachfolger für seinen verendeten Fiat Ducato
     zulegen, er hatte sein Glück im Internet versucht und geflucht, weil er feststellen mußte, daß die Gebrauchtwagen teurer geworden
     waren, er stieß auf schöne Fotos und tolle Fahrzeugbeschreibungen, und dann auf einen Fiat Ducato Maxi, mit dessen Besitzer
     er sich in einem Dorf traf. Die Reifen des Autos waren so gut wie platt, die Stoßstangen und der Auspuff waren mit Draht festgebunden,
     die Motorhaube ging nicht richtig zu, und der Rost blühte an den Türen. Die Besichtigung endete mit einem kühlen Abschied,
     der Besitzer war fest davon ausgegangen, daß Gabriel den Fiat kaufen würde, und als der sich kaufunwillig zeigte, hatte er
     nicht mit deftigen Bemerkungen über langhaarige Kieler gespart, die aussehen würden wie Rübezahl. Gabriel war sowieso in einer
     unheiteren Stimmung gewesen und hatte den Mann einen elenden Dorftölpel genannt, sie hatten sich gegenseitig beschimpft, bis
     ihnen die Schimpfworte ausgegangen waren, und dann waren sie auseinandergegangen.
    Neumünster galt als Räubernest, nach dem Niedergang der Tuch- und Lederindustrie hatten sich die Beherzten auf ein wirtschaftliches
     Freibeutertum eingelassen, sie betrogen und bestahlen nicht, sie hatten aber |152| ziemlich rabiate Vorstellungen von Handel. Das machte sie nicht unbedingt beliebt, die Kieler sahen auf die Neumünsteraner
     herab, und die Neumünsteraner hielten die Kieler für verhinderte Hanseaten, der Haß auf Hamburg schweißte die Landeshauptstädter
     und die Kleinstädter zusammen: Hamburg und Elmshorn / erschuf der Herr im Zorn, riefen sie im Chor, wenn ein Hanseat wieder
     einmal die Nase rümpfte über den Provinzpöbel. Bei aller Feindschaft waren aber gewisse Feinheiten zu berücksichtigen, ein
     Hamburger unterschied sich von einem Hanseaten dadurch, daß er in Hamburg lebte, wohnte und seine Arbeit hatte, er glich jedoch
     nicht jenen Pfeffersäcken, die nur dumm und spröde waren und bei jeder sich bietenden Gelegenheit die halbvolle Champagnerflöte
     vor die Linse einer Kamera hielten. Gabriel haßte die Hanseaten, und er liebte Neumünster, weil fast alles billiger war als
     in Kiel.
    Wir rollten langsam auf das ehemalige Postgelände, zwei flache Werkbauten begrenzten auf der einen Seite den großen Platz,
     dahinter ragte der Klinkerschlot der Feuerverzinkerei, und auf der anderen Seite, links neben der Einfahrt, stand eine Arbeitsbaracke,
     in deren Räumen Männer an aufgebockten Tapeziertischen saßen. Ein Mechaniker stand vor der geöffneten Motorhaube eines alten
     Daimlers, und als wir ausstiegen, sah er kurz zu uns herüber, schaute aber schnell wieder weg, das ist ein Mercedes 420 SE,
     sagte Gabriel, taugt nichts, frißt viel Sprit. Wir waren auf dem Autopfandgelände, Männer, die sich an Freudenmädchen verschleudert
     hatten, versetzten ihre Autos, um für eine kurze Weile flüssig zu bleiben, und meist konnten sie das Pfand nicht einlösen,
     am Ende hatten sie ihre

Weitere Kostenlose Bücher