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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Gerüchte zu entkräften.
    Die Prager klatschen sehr gerne, stellte ich fest.
    Nicht mehr als anderswo auch, sagte sie.
    Die nächste Zeit war ich damit beschäftigt, ihr zu erklären, was genau eine Gesellschaftsdame war, mir ging auf, daß ich es
     selber nicht genau wußte, eine Gesellschaftsdame ist eine Frau, die ein Mann um ihre Dienste bittet, weil er in die Gesellschaft
     aufgenommen werden will, sagte ich und wußte aber im gleichen Moment, daß das falsch war, eine Gesellschaftsdame ist eine
     Frau, setzte ich erneut an, die dem Mann Gesellschaft leistet in einer für ihn fremden Umgebung – auch das klang nicht richtig.
     Eine Gesellschaftsdame, sagte ich, ist eine Dame, die sich auskennt in vielen Gesellschaften … ich hielt inne, dachte über
     das Gesagte nach und schüttelte den Kopf. Ein Kunde, der von einer Hosteß begleitet wird, erhofft sich doch auch, von der
     bezahlten Bettpflicht einmal abgesehen, eine gewisse Anerkennung, die er in den Augen anderer Männer liest, wenn er mit ihr
     ein Restaurant betritt. Dieser Gedanke war zu lang und zu kompliziert, als daß er stimmen konnte, ich gab es auf und winkte
     ab, eine Geste, die sie nicht gut aufnahm, und ich fühlte mich verpflichtet, diesen meinen letzten Gedanken auszusprechen.
     Ich machte mich zum Idioten. Ich sollte am besten den Mund halten und mich allein mit anerkennenden Schnalzern bemerkbar machen,
     das hielt mich vielleicht davon ab, die Tschechin noch mehr zu verwirren. Ein Barbar an ihrer Seite war ihr Zumutung genug.
     
    Die lange Dauer meiner Verschonung war vorbei, ich beobachtete die gestauchten und krisenmüden Tschechen |186| , denn tatsächlich waren sie von den vielen Tagesanfängen, da sie aus dem Bett gefallen waren, körperlich gezeichnet. Mein
     deutsches Geld schloß die Türen auf, brach jedes Schloß auf, fast immer. Die Menschen, die sich auf ein Gespräch mit mir einließen,
     glaubten, die europäische Münze wäre deutsch geprägt, und daß sie ihre alte Währung hatten behalten können, brachte für sie
     keine Erleichterung, sie waren wieder einmal entzweigebrochen worden, ihre Stadt war eine abendländische Bastion, und man
     traute ihnen aber keine Vollständigkeit zu. Die Ausländerschwärme in Prag waren willkommene Feinde, sie kamen und gingen,
     sie kamen und gingen, das Geld verfing sich in den ausgeworfenen Netzen, und manchmal verfing sich auch ein Feind, der im
     Laufe der Zeit von den Abgasen, von der Verachtung und vom Geschwätz verätzt wurde … diesen Feind nahm man, später als in
     manchen anderen Städten, dann endlich als Fremden auf, und der Fremde war meistens ein Mann, der sich in eine Tschechin verliebt
     und sie geheiratet hatte, nach dem Ritus und den Bräuchen des Landes. Wenn es wackelt, hält man sich fest, sagten die Diasporadeutschen,
     wir gehen nicht auf festem Grund, und wann immer uns ein bitteres Wort entfährt, empfiehlt man uns, dorthin zurückzukehren,
     wo wir uns auf sicherem Boden bewegen können. Und die Tschechin, die mich die meiste Zeit begleitete, sagte: Diese Stadt ist
     verkommen. Nicht vollkommen. Man brüstet sich damit, daß man es gut getroffen hat mit dem Fluß, mit dem Schloß, mit der Erde,
     auf der die Stadt steht. Sie tat dabei so, als würde sie eine vertrauliche Mitteilung machen, sie war ja nur vage daran interessiert,
     mich aufzuklären über die Dinge, und sie meinte damit Menschen und ihre Gegenstände. Spielen bis man blutet, nannte man es
     in den Wirtshäusern und auch in den feineren Bierstuben, unsere Schuld wäscht |187| kein Regen aus, brüllten die Betrunkenen, ihnen fiel es nicht ein, sich so klein wie möglich zu machen, um so wenige Schläge
     wie möglich abzubekommen. Ich hörte sie eine Art Preisgesang anstimmen, sie saßen auf harten Bänken und sangen ein Durchhaltelied
     aus dem vorletzten Jahrhundert, ein Kater strich ruhig um ihre Füße, er war so dick, daß es ihm schon den Schweiß ins Fell
     trieb, wenn er die Krallen ausfuhr. Unter den Sängern und Säufern war auch ein Pflastermaler, der gelegentliche Geliebte der
     Tschechin, komischerweise trug er einen tiefhängenden Nietengürtel über der schwarzen Hose, und er kaute Gewürznelken, ich
     sah seine Kiefer immer mahlen. Die in duftendem Zirbelholz vertäfelte Stube war ein Rückzugsort der Einheimischen, manchmal
     brachte man einen Fremden mit, und der Fremde schaute auf die teerfleckigen Filter auf dem Boden, er schaute auf die verwarzte
     Hand des alten Kellners,

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