Liebesbrand
vorbei. Ich könnte sagen: Mach’
Liebe mit einer der jungen Amerikanerinnen, die dich für einen Prager Originalmenschen halten. Du machst ihnen schöne Augen,
dann nimm doch eine von ihnen zur Frau. Heirate sie, siedle über nach Amerika, betrachte deine Toten und deine Trugbilder
als vergangen. Ich bin ihm nichts schuldig. Er raucht Haschisch, behauptet aber, er habe nur Rosmarin in seinen Tabak gestreut,
die kleinen Brocken sind schwarzbraun oder hellbraun, ich kann eine Droge von einem Gewürz unterscheiden. Er sagt: Ich lasse
den Qualm in meine Lunge einziehen, und wenige Minuten später ist die Schönheit in meinem Kopf freigelegt. Wie widerwärtig,
das mir weiszumachen. Soll ich ihn mit den Frauen aussöhnen? Seine Frau ist weggelaufen, das passiert. Die Nachbarn haben
geklatscht, auch das passiert. Und sehr bald haben sie ihn für einen Hexer gehalten. Er kann die Augen aufreißen |208| und in die Nacht starren, daß man glaubt, er rufe einen Spuk herbei. Der Spuk ist er. All die Frauen in seiner Nachbarschaft,
sie halten ihn eigentlich für einen Mann, der ihnen die Herzen brechen sollte. Er tut das nicht, weil er Geschmack hat. Und
deshalb machen sie ihn vor ihren Männern schlecht. Die eine Frau sagt: Ich spüre es an meinem kleinen Finger, heute richtet
der Verdammte wieder Unheil an. Die andere Frau sagt: Ich spüre ein Flattern an meinen Nasenflügeln, mein lieber Mann, hake
bitte die Fliegenschutzgitter ein, der Verdammte ruft das Geschmeiß aus den Sümpfen. Und die Männer? Sie sind froh, weil sie
zu einem starken Glauben zurückfinden, sie sind nach diesem Glauben auf der guten Seite. Wo stehe ich? Ich bin ihm nichts
schuldig. Verdammt, ich bin ihm nichts schuldig!
Sie war völlig außer sich, die Tschechin, ich hatte sie mit einer beiläufigen Bemerkung angestoßen, wen sie liebte und wen
sie haßte, ging mich eigentlich nichts an, und wir hatten uns bislang an die Regel gehalten, so wenig wie möglich preiszugeben,
mein Geld und ihre Sprachkenntnisse, mehr verband uns doch nicht, und nun hatte sie mich eingeweiht, so sehr ich mir auch
wünschte, nicht in das Leben fremder Menschen hineinzugeraten, es klappte nicht. In einer Seitenstraße stand ein Abschleppwagen
mit heruntergefahrener Rampe, zwei Männer in orangefarbenen Latzhosen befestigten die Krallenbügel an den Reifen einer Limousine,
und der Besitzer des Wagens stand stumm daneben und schaute ihnen zu. Ich rief mir ins Gedächtnis, was mir Jarmila erzählt
hatte, in dieser Seitenstraße war ein Mann gestorben, dem mehrfach in den Rücken geschossen wurde, er fiel hin und starb unter
der kaputten Straßenleuchte.
Ich wandte mich ab und Jarmila wieder zu, sie stand in der Dämmerung wie eine Frau, die im Geiste ihre |209| Einkaufsliste durchgeht, der Nieselregen hatte Rauhreif auf ihre Haare gezaubert, sie achtete nicht auf die verstohlenen Blicke
von vorbeischlendernden Männern, die ihre Schritte drosselten, ich stand ein paar Schritte abseits und fühlte mich nur müde,
ich war bis auf das Unterhemd durchnäßt und wollte nur noch zurück in mein sicheres Hotelzimmer, ich sagte es ihr, einmal
leise und einmal laut, um gegen die Polizeisirene anzukommen, ich versicherte ihr zum Abschied, daß ich gerne ihre Hinterhofaufführung
ansehen wollte, wir werden uns zusammenklingeln, schrie ich ihr zu, dann fiel mir ein, daß wir unsere Telefonnummern nicht
ausgetauscht hatten, ich schrieb meine Nummer auf die Rückseite der Visitenkarte, die mir ein Taxifahrer gereicht hatte, ich
bog das Eselsohr gerade, der Taxifahrer hatte eine Ecke der Karte umgeknickt und mir in fließendem Englisch erzählt, daß ich
mich später erinnern würde, wie ich die Person, deren Name auf der Visitenkarte stand, kennengelernt hatte, das wäre eine
Sitte unter Portugiesen. Jarmila steckte die Karte in ihre Manteltasche, ich beugte mich vor, um sie auf beide Wangen zu küssen,
und weil sie nur dastand, verfehlte ich ihre Wange und küßte sie auf den Hals, es war ein Versehen, es ging aber in diesem
Moment über meine Kräfte, sie über das Mißverständnis aufzuklären. Ich lief los, und der Gedanke, bei diesem Regen einige
Kilometer Straßen und Wege zu marschieren, war unerträglich, ich stellte mich an die Hauptstraße und hielt ein Taxi an und
nannte dem Fahrer den Namen meines Hotels in der Elisky-Peskove-Straße.
Das kleine Hotelfoyer war wie ein Herrensalon im Empire-Stil eingerichtet, in
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