Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
den Regalen standen Buchattrappen, die Holzfigur
     eines blondbärtigen Mannes im Pullunder, der sich auf seinen Golfschläger stützte, versperrte |210| den Ausblick durch das Panoramafenster nach draußen, ich ließ mich auf einen Lederpolsterstuhl fallen und starrte auf das
     Antikimitattelefon, die Drehscheibe war in den Beistelltisch eingepaßt, und ein nervöser Mensch hatte in den Lederüberzug
     des Hörers Nagelkerben eingedrückt. Die Rezeptionistin brachte mir ein großes Glas Mineralwasser und fragte mich nach ihrer
     guten Freundin Jarmila, es geht ihr sehr gut, versicherte ich ihr, und auf Nachfrage sagte ich, daß ich mit ihren Diensten
     äußerst zufrieden wäre. Ich nahm einen großen Schluck und einen zweiten, und jetzt fühlte ich mich besser, die Zigeunerwalzer
     vom Band konnten meine Laune nicht verderben. Ein Schweizer Geschäftsmann, mit dem ich nur einige höfliche Worte gewechselt
     hatte, betrat das Foyer, schaute sich um, entdeckte mich und setzte sich, ohne um Erlaubnis zu bitten, mir gegenüber. Ich
     hatte keine Lust auf eine Unterhaltung, er behielt aber seinen Mantel an, und wahrscheinlich würde es nicht so lange dauern,
     bis ich ihn loswurde.
    Einen schönen Abend, der Herr, sagte er, Ihre schöne Begleitung hat Sie wohl entlassen.
    Sie ist meine Stadtführerin, sagte ich.
    Natürlich, sagte er, wenn man fremd ist, fühlt man sich recht allein. Und dann darf man nicht zögern und nicht zaudern, man
     hat ja viele Möglichkeiten, man hat es in der Hand, dafür zu sorgen, daß es einem nicht langweilig wird.
    Ich wußte nicht, wovon der Mann sprach, doch ich nickte ihm zu und enthielt mich eines Kommentars, ich hatte das Wasser ausgetrunken
     und blickte mich nach der Rezeptionistin um, sie informierte gerade einen Hotelgast darüber, daß er sich keine Sorgen machen
     sollte, sie hatte die Weckzeit für den nächsten Morgen notiert, und sie persönlich würde ihn um Viertel vor sechs wachklingeln.
    |211| Ich bin geschieden, sagte der Schweizer, ich erlebe meinen zweiten Frühling. Wer hätte das gedacht? Mir geht es ausgezeichnet.
     Ich arbeite hart und möchte natürlich nicht auf das Vergnügen verzichten.
    Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? sagte ich barsch. Oh, ich sehe schon, es läuft bei Ihnen nicht nach Plan. Aber wenn ich
     Ihnen einen freundschaftlichen Rat geben darf, Sie dürfen das nicht so ernst nehmen. Will sie nicht, so gibt es eine andere,
     die gerne bereit ist, Sie ›zu führen‹.
    Ich bin mit meinem Fremdenführer zufrieden, sagte ich.
    Dann haben wir etwas gemeinsam, sagte er und blickte auf die Straße, er erhob die Hand zu einem flüchtigen Gruß, und als ich
     seinem Blick folgte, sah ich draußen auf dem Gehweg die große Frau im Nerzmantel stehen, sie schaute zurück und lächelte,
     und bevor ich dazu kam, zu reagieren, war auch schon der Schweizer bei ihr und drückte ihr einen Kuß auf den Mund, sie hakte
     sich bei ihm ein, warf mir noch einen Blick über die Schulter zu und verschwand in der Dunkelheit. Ich stand auf, verzichtete
     auf den Fahrstuhl und stieg die Treppen hoch, die Büste eines schlafenden Engels mit eingezogenen Flügeln lag auf der fünften
     Treppenstufe, ich achtete darauf, nicht auf seinen Flügel zu treten, vor meiner Tür hielt ich das Blindfeld des Schlüssels
     vor das Schloßfeld, ein Lämpchen leuchtete grün auf, und gleich darauf ertönte ein elektronisches Piepen, ich ging in mein
     Zimmer und freute mich darauf, mir die Zähne zu putzen, die Schuhe abzustreifen und in den Bademantel zu schlüpfen.
     
    Die Rotgekleidete schob die Stöckelschuhspitze vor, man sah ihren Fußknöchel im Seidenstrumpf, das Licht tupfte Perlen auf
     die Metallschnalle auf dem Spann, |212| und da sie sich anspannte, um den ersten Schritt hinunterzutun, knickte sie leicht ein und griff schnell zum Treppengeländer,
     aber ihr Fuß glitt auf der Stufenkante ab, sie ruderte mit ihrem freien Arm, verlor das Gleichgewicht und fiel auf das Kissen,
     mit dem sie ihre Hüften gepolstert hatte, sie spielte eine reife Dame mit Rubensfigur, und jetzt schützte das Kissen sie vor
     einem bösen Bruch. Alle Augen waren auf sie gerichtet, und keiner wagte, ein Wort herauszupressen, und als sie ihre Rolle
     einfach im Sitzen weiterspielte, klatschten zwei Zuschauer, und eine Frau vor mir im Publikum flüsterte ihrem Mann zu, daß
     es sich bei der Schauspielerin um eine begabte und staatlich geprüfte Künstlerin handeln müßte, eine Amateurin wäre

Weitere Kostenlose Bücher