Liebesbrand
sich langsam vortastet,
obwohl er sich im Freien bewegt – im Gegensatz zu dem Maler und seiner Mätresse glaubte er nicht, daß die Liebe später käme,
einmal hatte er gesagt, Liebe wäre Pfusch in Purpur, und war auf meine Nachfragen nicht eingegangen. Und was glaubte ich?
Eine tschechische Professionelle hatte mir zehn Minuten Glück geschenkt, das war genügend Liebe für den Augenblick. Es gab
einen Trick, um zu verhindern, daß die Augen beim Zwiebelschneiden tränten, man mußte den Mund mit Wasser füllen, mit soviel
Wasser, daß sich die Wangen blähten, und es im Mund behalten, während man die Zwiebel zerschnitt und zerhackte. |261| Wahrscheinlich war es genauso einfach, zu lieben. Ich schaute mich im Hinterhof um, als wollte ich mir einen besonderen Schauplatz
einprägen, dann trat ich hinaus auf die Seitenstraße, lächelte im Vorbeigehen die unscheinbare Tschechin an und hob am Wenzelsplatz
die Hand, um ein Taxi anzuhalten.
Die Schwester klappte die Fußstütze der Liege hoch, legte meine Füße nebeneinander, sie nickte mir zu, und ich krempelte meinen
rechten Ärmel bis zur Achsel um und zwängte mich in eine Manschette, die die Schwester aufblies, sie desinfizierte meine Armbeuge
und steckte eine Kanüle in die gut sichtbare Vene. Ich zuckte zusammen. Mein Blut floß ab, durch einen Schlauch zu der Maschine
und in eine Plastikflasche, ich begann, den Knautschball mit Fingerfurchen zu pumpen, die Lämpchen an der Blutmaschine leuchteten
grün, der Fluß war normal, ich lag und pumpte und starrte auf die grünen Lämpchen, die auf Rot schalteten, der Fluß stockte,
und ich hielt inne mit dem Pumpen, denn die Maschine trennte das Plasma und gab mir, gab meiner Vene, gab meinem Körper mein
Blut mit meinen Blutzellen wieder zurück, der große Blutabnahmekasten nahm und gab und nahm jetzt, die Lämpchen glimmten grün
auf, und ich fing wieder an, den Ball zu kneten, die Maschine sog sich voll mit meinem Blut, nach der dritten Aufnahme und
der folgenden Rückgabe ertönte ein akustisches Signal, die Schwester eilte sofort herbei, zog die Kanüle heraus, preßte einen
Mullbausch auf die Stichstelle, forderte mich auf zu übernehmen, ich drückte den Finger auf den Tupfer, und als sie die Fußstütze
herunterklappte, setzte ich mich auf und wartete mit Blick auf meine Armbanduhr drei Minuten ab. Die Schwester war wieder
zur Stelle, sie legte mir einen Druckverband an, sie verschnürte mir die Armbeuge, |262| um die Blutung zu stillen. Ich bedankte mich, schlüpfte in meine Schuhe, ließ flüchtig den Blick über die dreißig Liegen im
Saal schweifen, die Schwester schaute mich fragend an, aber ich hatte keine Probleme nach dem Aufstehen, ich schlurfte trotzdem
langsam in den Vorraum und setzte mich auf einen Stuhl.
Fühlst du dich auch so gut? sagte Jarmila.
Ich weiß nicht, sagte ich.
Es ist ein Wohlgefühl, sehr nahe an der Ohnmacht, sagte sie.
Sie haben uns gerade etwas weggenommen.
Das war keine Blutspende. Das war nicht Vollblut.
Ich weiß, du hast es mir erklärt … trotzdem.
Wir haben ihnen nur ein bißchen was gegeben, sagte sie, davon werden wir nicht sterben.
Diese Maschine, sie arbeitet. Und ich liege da und pumpe und erleichtere auch noch ihre Arbeit.
Was ist denn falsch daran? sagte sie.
Diese Maschine hat mir fast alles verdorben.
Ich spürte ihren Blick, ich roch ihren Geruch, sie hatte heute kein Parfüm aufgelegt, sie saß auf dem Stuhl neben mir, und
auch wenn uns die Tschechen im Raum neugierig anstarrten, ich konnte nicht anders und atmete tief ein, Jarmila schien zu glauben,
daß ich wegen eines nachsetzenden Ekels aufseufzte, denn sie gab mir sachte Trostklapse auf die Schulter.
Der Mann, der neben mir lag, machte es des Geldes wegen, sagte sie.
Ich habe ihn gesehen.
Er sah nicht krank und abgezehrt aus. Vielleicht will er seine Frau mit teuren Likörpralinen beschenken. Es ist ganz sicher
nicht das erste Mal, daß er Blutplasma abgibt. Bestimmt hat er gespart, und heute ist der besondere Tag, an dem er seine Frau
überrascht.
Fast ein Liter Blut, murmelte ich.
|263| Siebenhundertfünfzig Milliliter, sagte Jarmila, nicht Blut, sondern Plasma.
Verdammt.
Bereust du es?
Nur ein bißchen, sagte ich, ich verstehe dich nicht, du machst es regelmäßig. Wieso?
Ich fühle mich dann gut. Mein Plasma wird gebraucht. Es fließt in den Adern anderer Menschen. Auf diese Weise bekomme ich
Verwandtschaft.
Das klingt aber
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