Liebesbrand
seltsam, sagte ich.
Findest du? Blut macht Verwandte. Du bleibst anonym, das heißt, die Verwandten nerven dich nicht mit den üblichen Problemen.
Sie klingeln nicht an deiner Tür und wollen Geld. Sie klatschen nicht über dich. Sie rufen dich nicht an, um zu fragen, wieso
du nicht anrufst. Das ist doch toll.
Wie lange müssen wir noch warten? sagte ich.
Noch eine Viertelstunde. Dann kriegen wir das Geld und verschwinden.
Wieviel?
Dreihundert Kronen. Zehn Euro. Ich will das Geld nicht, sagte ich.
Du mußt es annehmen, sagte sie, es geht um die Idee dabei. Sonst platzt der Traum.
Welcher Traum?
Der Traum von dem Mann, der seiner Frau heute Likörpralinen schenken wird.
Genau in diesem Augenblick betrat er den Raum, bestimmt war er es gewohnt, daß er die Blicke auf sich zog, seine Augen waren
nur einen Spalt offen, die Badeslipper klatschten gegen seine schmutzigen Fersen, als er den Aufenthaltsraum durchquerte,
um sich auf einem Stuhl niederzulassen. Über seinem Kopf an der Wand hing ein Poster mit einem Bergpanorama, und der Mann
sah aus, als hätte er die Berge bestiegen, und |264| nun saß er hier mit uns, der Mann, der heute triumphieren würde, der Mann, der den ganz normalen Tag seiner Frau in einen
Wundertag verwandeln würde. Er klaubte eine Zigarettenschachtel aus seiner Tasche und zog die Zellophanhülle ab, er steckte
die Schachtel wieder ein und begann, die Hülle konzentriert und sorgfältig zu falten.
Ich habe es auch gesehen, sagte Jarmila.
Ja, sagte ich, eine harmlose Freizeitbeschäftigung.
Oder aber zwanghaft, sagte Jarmila, ich glaube, er gehört zu den Menschen, die es nicht über sich bringen, die Verschlußklappe
von Briefumschlägen zu lecken. Er befeuchtet die Fingerkuppe und streicht über die Innenseite der Klappe.
So schätzt du ihn ein?
Ja, sagte sie und senkte die Stimme, er macht seinen Traum heute bestimmt wahr. Aber er ist ein dunkler Mann.
A propos, sagte ich, was treibt der Verdammte?
Sie rückte von mir weg und blieb eine Weile still. Ich hatte es satt – man hatte mir beigebracht, daß man Hunden nicht in
die Augen sehen sollte, um sie nicht zu reizen. Wenn ich aber den Menschen nicht in die Augen blicken durfte, übersah ich
sie, und ich übersah die meisten Menschen, weil es nur großen Ärger einbrachte, wenn man sie in sein eigenes Leben bat, ich
ging nicht wählen, weil ich nicht schuld sein wollte an der Korruption, ich fragte die Passanten selten nach einer Straße,
weil ich nicht immer zu Unrecht fürchtete, sie würden um einen Gegengefallen bitten. Und hier war eine Frau, die mich bat,
den Namen ihres gelegentlichen Liebhabers nicht zu erwähnen.
Was ist los? sagte ich, was ist, verdammt noch mal, los?
Er betrügt mich mit der Nutte, flüsterte sie.
|265| Du meinst die Frau, die nicht mehr deine Freundin ist?
Sie will mein Leben ruinieren. Sie hat sich geschworen, mir alles wegzunehmen. Und wieso? Weil ich Männer nicht für Geld befriedige.
Ich arbeite nicht in ihrer Branche. Ich habe nein gesagt. Einmal nein heißt immer nein. Sie begreift es als Beleidigung. Ich
krieche nicht in fremder Männer Betten. Das macht mich nicht heilig. Aber sie denkt: Ach so ist es also, Jarmila ist die Madonna,
und ich bin die Hure. Ein Zweikampf. Erst hat sie mir die teuren Geschenke gezeigt, die sie von den Männern bekommen hat.
Das waren keine teuren Geschenke, sie hat es nur behauptet. Ein Ring, der vielleicht zweitausend Kronen wert ist. Eine Bluse.
Ein Parfüm, das der Mann zollfrei im Flughafen gekauft hat. Ich habe mich gezwungen, große Augen zu machen. Ja, so war das:
Ich riß immer die Augen auf, nur ihr zuliebe. Und sie hat aber gespürt, daß ich ihr Freude vorheuchelte. Daß ich mich danach
übergab. Einmal konnte ich mich nicht beherrschen und bin nach ihrer Geschenkepräsentation ins Bad gerannt und habe in die
Kloschüssel erbrochen. Eine Schweinerei, ich weiß. Aber da war ihr klar, daß sie ihre Geheimnisse nicht mit mir teilen durfte,
denn sie ist eine stolze Frau. Eine rachsüchtige Frau. Das Seltsame daran ist, daß sie sich ohne Ausnahme nur an den Frauen
rächt. Einmal, da wollte ich einen Knopf annähen, einen losen Knopf an ihrer Kostümjacke. Sie hat mir die Nadel entrissen,
hat sich in das Handgelenk gestochen und mich dabei angesehen. Sie hat gesagt: Siehst du, wie mein böses Blut fließt?…
Blut, sagte ich.
Ja, Blut, fuhr sie flüsternd fort, sie ist mit dem blutenden Handgelenk über
Weitere Kostenlose Bücher