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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Maniküre oder Fußmassage würde sie dort nicht erscheinen. Um vier Uhr war sie frei für Marius, und um sieben, wenn er wieder ging, konnte sie sich in Ruhe überlegen, was sie jetzt noch unternehmen wollte – mit einer ihrer Halbschwestern zu Abend essen, ins Theater gehen, Telefonseelsorge, Wallace Collection, Tanzen. Oder, wenn ich Glück hatte, wenn ich nicht ihren Zorn auf mich gezogen hatte, zu meinem liederlichen Genuss und in den drastischsten Worten, zu denen sie bereit war sich hinreißen zu lassen, ihr nachmittägliches Tete-a-tete für mich rekapitulieren. Ich hing an ihren Lippen, sodass ihr Mund und mein Ohr fast eins waren.
    Ich kann nicht behaupten, und Marisa würde es ebenfalls nicht behaupten, dass ihr das leicht fiel. »Ich finde es peinlich«, sagte sie. »Ich finde es grotesk. Ich finde es treulos. Und es macht mich fertig.«
    Â»Treulos? Kannst du ja ein Lied von singen.«
    Â»Gut gekontert, Felix.«
    Fand ich auch. Aber ich wollte wirklich, dass sie mir ihr Lied sang.
    Â»Ich an deiner Stelle hätte was dagegen, wenn man anschließend über dich sprechen würde.«
    Â»Ich an meiner Stelle würde auch nicht dreimal die Woche zu einem anderen Mann gehen.«
    Â»Entbindet mich das von jeglicher Verpflichtung, seine Intimsphäre zu wahren?«
    Â»Intimsphäre? Ich verlange ja nicht von dir, dass du mir seinen Schwanz beschreibst, Marisa.«
    Wir lagen im Bett, unserem Bett. Das Licht war ausgeschaltet, und wir hatten Räucherstäbchen angezündet – meine Idee. Ich hatte ihr den Rücken zugewandt, um die Peinlichkeit zu verringern, von der sie gesprochen hatte. Aber ich spürte ihren zweifelnden Blick. Diese Frage stellen sie sich immer, die Frauen, ob es nicht in Wahrheit der Schwanz sei, für den man sich interessiert. Frauen fragen es sich deswegen, weil sie Eifersucht anders erleben als Männer, weil sie es mit der Othello-Mord-Methode halten und sich nicht vorstellen können, worin der Lustgewinn besteht. Sie kommen zu dem Schluss, dass er sich aus der Art von Devianz erklärt, die sie verstehen, und nicht aus der Art, die sie nicht verstehen.
    Sie beließ es dabei. »Ganz gleich, was ich dir erzähle, es ist ein Vertrauensbruch.«
    Ich stimmte ihr zu. »Ja«, sagte ich. »Aber manchmal verliert ein Mensch das Recht auf Vertrauen. Wenn man über die Mauer klettert, die einem anderen gehört, geht man ein Risiko ein. Man weiß nicht, was als Nächstes passiert.«
    Â»Ich bin nicht deine Mauer, Felix.«
    Â»Ob Mauer, ob Gattin … Er liebt den Verstoß.«
    Â»Du nicht?«
    Â»Um mich geht es nicht.«
    Â»Eigentlich doch. Was du von mir verlangst, verletzt dich auch, oder?«
    Jetzt durfte ich »Gut gekontert« sagen.
    Â»Ich meine, es beleidigt dein Ohr.«
    Ãœber mein Ohr brauche sie sich keine Gedanken zu machen, sagte ich. Das sei robust und könne einiges aushalten.
    Â»Treib es nicht zu weit, Felix«, sagte sie. Danach lagen wir lange schweigend nebeneinander, und ich hörte, wie sie abwägte, was sie mir antun würde, falls ich es zu weit trieb.
    Doch ganz allmählich, nach einigen Fehlstarts und nervösen Lachanfällen – jene Gewissensberuhigung, die wir als Gespür für das Lächerliche bezeichnen, jene Instanz, die einem Sünde, Sex und Sinnlichkeit madig machen, jene Strategie, die wir benutzen, um auf dem Teppich zu bleiben –, überwanden wir uns schließlich doch. Aber immer – anders als beim Tanzen, obwohl auch dies eine Art Tanz war – musste ich der Führende sein: Und dann und dann, was dann …?
    Die Frage aller Fragen, durch alle Zeiten hindurch, überall, auf der ganzen Welt, abgedroschen, abgewetzt, tragikomisch: Und dann und dann, was dann …? Egal ob der Mann Metaphysiker ist oder Analphabet, die Frage bleibt immer dieselbe. Und dann und dann, was dann …? Eifersucht, so wie Todesangst, verwischt die Unterschiede zwischen uns. Nur dass manche Männer in ihrer Neugier genauer sind. Sie wollen noch tiefer in der Wunde herumstochern. Und dann und dann was dann und hast du ihn angeguckt hast du ihm in die Augen geguckt und hat er dir in die Augen geguckt und was haben ihm deine Augen gesagt und was haben dir seine Augen gesagt und hast du ihn geküsst wo hast du ihn gekü sst wie hast du ihn geküsst oder hat er dich geküsst wer war der Auslöser wer hat zuerst

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