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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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geküsst und war dein Mund offen hast du den Mund geöffnet oder hat er seine Zunge zwischen deine Lippen geschoben hast du das zugelassen oder hast du ihn dazu aufgefordert oder hat er Zwang angewendet und was hast du dabei gedacht hast du gleichzeitig was empfunden hast du was empfunden was hast du empfunden warst du glücklich warst du ungeduldig wie ungeduldig warst du wie ungeduldig war er und was hat er dann gesagt und was hast du dann gesagt oder hast du keine Worte mehr hervorbringen können wolltest du ihm jetzt nichts mehr sagen oder er dir nichts mehr sagen wolltest du überhaupt nichts mehr hören und was dann hat seine Hand deine Brust gestreichelt hat sie deine runden Formen ertastet und hat sich deine Brustwarze versteift und hast du ihm gesagt fester drü ck fester und deine Hand was war mit deiner Hand und hat dein Herz schneller geschlagen und hast du Ja gesagt ja ich will ja?
    Hat Marisa zur Antwort ihre Zusammenkünfte mit Marius für mich nachgespielt? Hat sie das für mich getan, was sie für Marius getan hat?
    Diese Fragenfolge ist, wir wollen ja aufrichtig sein, auch nicht besser als meine. Worin besteht der Unterschied zwischen der heftigen Erregung, in die sich der Gehörnte durch die unsicheren Fragen versetzt – erzähl mir erzähl mir erzähl mir erzä hl mir –, und der des Lesers?
    Der Wunsch zu erfahren, was als Nächstes geschieht – und dann und dann, was dann: Was ist er anderes als Ansporn unserer Neugier, die uns immer und immer wieder zu unseren ältesten und größten Geschichten zurückführt?
    Hör zu, Menelaos – was flüstert Helena Paris zu? Welche trojanischen Versprechen wiegen sie in Schlaf, welches trojanische Lachen holte sie aus dem Bett der Schande?
    Odysseus – was versprechen die Freier deiner Frau Penelope – mehr Freier als sie Ohren hat –, während du die Meere der Welt durchstreifst?
    Daher kommt die Literatur, sie bedient unsere unreinen Wünsche. Und daher ist der Leser, in seinem ewigen Verlangen, erzählt zu bekommen – was dann was dann –, so unrein wie jeder Gehörnte.
    Was Marisa für mich nachgespielt hat – das geht nur sie und mich etwas an. Es genügt, wenn ich sage, dass ich ihre Kunstfertigkeit nie so genossen habe wie in den Momenten, wenn sie in Marius’ Armen dahinschmolz, während sie in meinen dahinschmolz. Und nie zuvor habe ich – ein Mensch, der schon viel gelesen hat – einem Text mit größerer Aufmerksamkeit gelauscht.
    Bald erzählte Marisa mir Dinge, bei denen ich unsicher wurde, ob sie vergessen hatte, dass Marius nicht mehr da war. Hatte sie überhaupt gemerkt, dass ich jetzt neben ihr lag, und nicht Marius? In solchen Momenten bedauerte ich Marius beinahe, für das, was er versäumte.
    Es war eine Geschichte, die nicht enden konnte. Tausendundeinmal Tausendundeine Nacht, und immer noch mehr zu erwarten und zu befürchten. Wie lange noch, bis Marisa ihre Finger in meinen Nacken krallen und mir ins Ohr flüstern würde wie eine züngelnde Flamme: »Lieb mich, Marius«, und dann: »Schlaf mit mir, Marius«, und dann und dann: »Ich liebe dich, Marius«?
    Wie lange noch, bis mein lüsternes Leserherz vor verzehrender wahnsinniger Freude entzweibrechen würde?
    Mach weiter – frag: Wie lange wie lange wie lange …?
    *
    Und Marius?
    Wenn er durch den Vertrauensmissbrauch etwas verlor, dann nur in den Augen anderer. Er selbst merkte es nicht und wurde nur lässiger und attraktiver, je mehr Vier-Uhr-Treffen er für sich herausschlug.
    Es wäre unbarmherzig von mir, ihm diese neue Leichtigkeit zu missgönnen. Männer haben es heutzutage schwer genug. Außer im Wunderland der Prominenz ist es Männern ja kaum noch gestattet, einfach so aus Spaß mit einer Frau zu schlafen, obwohl Sex eindeutig das Beste in ihnen hervorbringt, jedenfalls, was körperliche Gesundheit und Aussehen betrifft. Und dreimal die Woche meine Frau zu ficken – wenn ich das noch mal sagen darf, allein schon wegen der entzückenden Anstößigkeit –, dreimal die Woche meine Frau zu ficken hat auf jeden Fall das Beste in Marius hervorgebracht. Immer wenn ich ihn sah, war sein Haar feucht, entweder vom Duschen vor seinem Treffen mit Marisa oder vom Duschen danach. Dieser feuchte Look stand ihm gut. Männer wie ich steigen aus dem Wasser blind und triefend nass wie eine Ratte, die

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