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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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mit ihm nicht so war wie mit mir – wie war es dann mit ihm? Aber da sie darüber keine Auskunft gab, musste ich mich mit dem Ausdruck »plündern« zufriedengeben. Ihr gefiel dieses Wort nicht, mir schon, aus verschiedenen Gründen, Onomatopöie und Selbstzerfleischung. Daher also: »meine Frau plündern«.)
    Er stöberte, der Plünderer von Marisas Körper und ihrer Gefühle, in der Afrika-Abteilung der Buchhandlung, suchte jedoch anscheinend nichts Bestimmtes. Dachte er an Flucht? Wenn ja, dachte er daran, allein zu fliehen oder mit meiner Frau? Er war schon einmal durchgebrannt. Vielleicht wurde es mit jedem Mal leichter.
    Â»Wo soll’s denn hingehen?«, fragte ich.
    Er wusste zuerst nicht, wer ich war. Nie wusste er das. Ich glaube nicht, dass es persönlich gemeint war. Er wusste im ersten Moment einfach nie, wer sein Gegenüber war, es sei denn, es war eine Frau oder ein Mädchen, die ihn interessierte. Gerne hätte ich diesen Affront erwidert, aber dafür war es zu spät.
    Â»Ach Gott, Sie schon wieder«, sagte er, als er endlich mein Gesicht in seinem Gedächtnis wieder hervorgekramt hatte. »Meine Nemesis.«
    Ich würde mich davor hüten, ihm zu sagen, dass er die meine war. Huldvoll lächelte ich ihn an.
    Â»Französisch-Guayana«, sagte ich.
    Â»Was ist damit?«
    Â»Wie ich sehe, planen Sie eine Reise. Französisch-Guayana soll sehr schön sein.«
    Â»Und was geht Sie das an?«
    Â»Sehr viel, als Ihre Nemesis. Es ist wichtig, dass ich zu jeder Tages- und Nachtzeit weiß, wo Sie sind. Niemand anders darf Ihr Schicksal bestimmen.«
    Â»Ich glaube, Sie nehmen mich ein bisschen zu wörtlich. Nemesis wie Nervtöter, so habe ich es gemeint.«
    Â»Dieser Gebrauch des Wortes ist mir nicht geläufig«, sagte ich. »Aber als wir zum ersten Mal miteinander sprachen und Sie mir Ihre Vier-Uhr-Herzländer nannten, war Französisch-Guayana nicht darunter.«
    Â»Und? Habe ich jetzt eben davon gesprochen? Nein. Ich bin Ihnen keinen Atlas meiner Bewegungen schuldig.«
    Â»Natürlich nicht. Aber ich hätte Sie niemals für einen Afrika-Liebhaber gehalten.«
    Â»Und ich hätte Sie niemals um Ihre Meinung gebeten.«
    Â»Ich habe gar keine. Ich wollte Ihnen nur weiterführende Lektüre empfehlen. Robbe-Grillet – haben Sie den gelesen? Ich vermute mal, der wäre so Ihre Kragenweite.«
    Endlich sah er mich an, das heißt, er sah den Robbe-Grillet an. In der Hinsicht war er wie ich, zu einem Autor oder einem Buch konnte er nicht Nein sagen. Es würde mich nicht wundern, wenn er den Umschlag der Erstausgabe jetzt vor seinem geistigen Auge sah, jämmerliche Bücherwürmchen, die wir waren.
    Â»Robbe-Grillet? Ob der meine Kragenweite ist, weiß ich nicht, jedenfalls teile ich seine Überzeugung, dass Gegenständen mehr Bedeutung zukommt als Menschen. Sie werden entschuldigen, wenn ich das sage – da Sie offenbar ein Gespräch von Mann zu Mann wünschen –, aber im Moment würde ich diese Rangfolge gerne übernehmen. Ich baue auf Ihr Verständnis, wenn ich Ihnen sage, dass ich mich lieber mit diesem Bücherregal unterhalten würde als mit Ihnen.«
    Â»Da kann ich Ihnen nur folgen …«
    Â»Ja, Sie folgen mir, Sie verfolgen mich sogar. Bin nur ich betroffen, oder verfolgen Sie auch andere Robbe-Grillet-Leser?«
    Â»Ach, dafür sind wir zu wenige. Wie Sie wissen, ist er gerade nicht in Mode. Aber ganz ehrlich, ich verfolge niemanden. Ich komme nur viel rum, das ist alles. Es fällt mir schwer, zu Hause zu sitzen. Draußen auf der Straße gibt es so viel zu sehen. War es nicht Barthes, der mal gesagt hat, dass mit Robbe-Grillet der Roman zur Weltaneignung des Menschen geworden ist ohne den Schutz einer Metaphysik? Tja, das bin ich. Dieser Roman bin ich.«
    Â»Ach, Gott, ja, Der Augenzeuge. Le Voyeur. Wenn ich mich nicht irre, haben Sie mir schon mal von sich erzählt, aber wie kommen Sie darauf, Ihr Voyeurismus könnte mich jetzt beim zweiten Mal interessieren, wenn er mich beim ersten Mal schon kaltgelassen hat …«
    Â»Sie erinnern sich daran?! Ich fühle mich geschmeichelt. Aber dass ich ein Voyeur bin, habe ich nicht gesagt. Allgemein pervers, das vielleicht, aber weiterzugehen, dazu wäre ich auf Grundlage unserer kurzen Bekanntschaft wohl nicht bereit gewesen. Obwohl jetzt, da wir uns besser kennen …«
    Â»Nein,

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