Liebesdienst
ich es als Geschenk einpacken?«, fragte Stefan.
»Natürlich«, sagte ich, aber traute mich nicht, ihn zu bitten, es auch zu adressieren â so gern ich es getan hätte, schon um des Vergnügen willen, den Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen und mich an seinem Mitleid zu weiden â, »An den Liebhaber meiner Frau. Mit Dank«.
»Ich komme demnächst mal vorbei und kaufe ein Buch bei Ihnen«, sagte Stefan, ein Komiker mit seinem Pepitaanzug und der runden David-Hockney-Brille.
»Nur mit vorheriger Anmeldung«, erinnerte ich ihn.
Das Vergnügen der Buchhändler mal beiseitegelassen â welcher Teufel hatte mich geritten, mich mit Marius über Eifersucht und Bananenbäume zu unterhalten? Wollte ich vielleicht, dass er Bescheid wusste über mich? Und warum hatte ich den Rough Guide to West Africa für ihn gekauft? Wollte ich ihm bloà etwas schenken? Oder wollte ich, dass er anfing, die Verbindungen herzustellen, die ich bisher sorgfältig verwischt hatte? Dass er mich enttarnte? Dass er den Glorienschein des Glücks verlor, den er wie eine mittelalterliche Heiligenfigur um den Kopf trug? Sich missbraucht und betrogen fühlte? Sich scheià noch eins aus meiner Ehe heraushielt?
Ich war nicht immer auÃer Haus, auch wenn Marisa und Marius das vermuteten. Das erste Mal, als ich blieb, war es ein Zufall. Ich hatte zu Hause in meinem Büro gearbeitet, was gelegentlich vorkam, auch wochentags. Ich hatte vergessen, dass es Mariusâ Nachmittag war. Erst als es an der Haustür klingelte â ein gebieterisches, enthemmtes Klingeln â, wurde mir klar, dass ich nicht mehr unbemerkt entwischen konnte. Heimlich schloss ich mich ein. Das war alles. Es war nicht so, dass ich etwas hätte hören können, deswegen konnte man mir schlecht vorwerfen, ich wollte lauschen.
So habe ich es zwar in Erinnerung, aber etwas daran stimmt nicht ganz. Normalerweise hätte ich nicht vergessen, dass dieser Nachmittag Marius gehörte. Der Almanach seines Kommens und Gehens hatte sich fest in meinen Körper eingeschrieben. Ich muss also davon ausgehen, dass ich mich selbst belog, damit ich in ihrer Nähe sein konnte.
Von da an machte ich es mir zur Gewohnheit; das heiÃt, bei einem von etwa sechs Besuchen blieb ich zu Hause, also ungefähr alle vierzehn Tage. Es lag etwas seltsam Tröstliches darin. Wer mag, könnte darin etwas Böses sehen, aber es war nicht meine Absicht, den beiden zu schaden. Ich wollte einfach nur den gleichen physischen Raum wie sie okkupieren. Sicher, ich hätte es vorgezogen, neben ihnen im Bett zu liegen, dieselbe stumme und unbeachtete Gestalt, die ich schon an ihrem Tisch abgegeben hätte, wenn sie das zugelassen hätten, doch da das nicht infrage kam, blieb mir nur mein Arbeitszimmer. Ich schloss jedes Mal die Tür ab, zog die Vorhänge zu, streckte mich dann, wenn sich Marius nach meiner Berechnung neben Marisa legte, auf dem Teppichboden aus und verharrte für die Dauer seines Besuchs in dieser Stellung.
Subspace also, nur ohne die Zeremonie der High Church. Subspace, schlicht und einfach, calvinistisch geradezu, nur ich, auf dem Boden liegend, der Welt der Lebenden entronnen, nur dank Marius und Marisa atmend, sodass, wenn sie das Atmen eingestellt hätten, ich ebenfalls aufgehört hätte zu atmen.
Wenn man schon so weit gegangen ist, können allein praktische Gründe einen davon abhalten, den nächsten Schritt zu tun. Es dauerte nicht lange, und ich stieg eine Etage höher. Auf der einen Seite ihrer Liebeslaube befand sich unser Schlafzimmer, aber mich dort zu verstecken, kurz bevor sie zu ihrem Rendezvous zusammenkamen, ohne dass Marisa etwas bemerkt hätte, war unmöglich. Auf der anderen Seite dagegen befand sich eine Rumpelkammer, voll von ausrangierten Computern, von denen ich mich nicht trennen konnte, alten Familienfotos, Koffern, Skikleidung und Schiffslampen aus den dreiÃiger Jahren, die ich ebenfalls meinte aufheben zu müssen. Hier, verborgen in einem Raum, den Marisa niemals betrat, wäre mir eine gröÃere Nähe zu den Liebenden vergönnt, bekäme ich sie vielleicht sogar gelegentlich zu hören. Kurzzeitig hatte ich überlegt, einen Mitarbeiter von dem Geschäft für Alarm- und Ãberwachungsanlagen in der Baker Street damit zu beauftragen, Wanzen im Haus zu installieren, an einem Tag, wenn Marisa nicht da wäre. Versteckte Kameras würden sich
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