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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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vielleicht auch lohnen, dachte ich schon weiter, bis ich mir schließlich darüber klar wurde, dass mein Wunsch, alles genau zu wissen, im Kern mit dem Wunsch verwoben war, eben nicht alles zu wissen. Ich wollte mich zwischen Marius und Marisa einfühlen, mich in sie hineindenken. Das bedeutete eine viel aktivere Übung in Eifersucht, als nur zuzugucken und zuzuhören. Ich wollte, dass »das ganze Lager ihren süßen Körper genoss«, aber nicht auf den Bildschirmen der Überwachungsanlage.
    Ich war eben kein gewöhnlicher Feld-Wald-und-Wiesen-Voyeur.
    Was mir, versteckt in meiner Rumpelkammer, zu Gehör gekommen wäre, wäre nach dieser Logik aktive, nicht passive Eifersucht gewesen. Tatsächlich jedoch bekam ich kaum etwas zu hören. Marisa war noch nie besonders geräuschvoll beim Sex, und Marius brummte, wenn es hochkam, seine Lust in seinen Bart hinein. Von uns dreien war ich der Einzige, der brüllte, und ich war ja nicht hier, um meine eigene Stimme zu hören. Aber ihr Stöhnen interessierte mich sowieso nicht. Zu der Sorte Perverser gehöre ich nicht. Mein Elixier war die Sprache, Reden – allein schon der Satz »Fick mich, Marius«, die Stereofonie des Fickens an sich, dem Gehörnten ins Horn geblasen. Und wenn ich die Wörter nicht verstand, blieb mir immer noch Marisas Bericht vom Abend zuvor, an den ich mich halten konnte. Es mag entwürdigend klingen, aber ich drückte mich flach an die Wand, nicht um die beiden Verliebten zu hören, sondern um ihnen nahe zu sein, ihren Atem zu spüren, ihre Schwingungen. Dabei ging ich im Geist alles durch, was Marisa mir über ihr Liebesspiel beim letzten Treffen erzählt hatte. Obwohl es mir gelungen war, in Reichweite der beiden zu sein, schwamm ich also doch immer nur in ihrem Kielwasser – musste mich mit den anschaulich beschriebenen Küssen von gestern zufriedengeben, während mich von den echten heutigen Küssen nur wenige Zentimeter und eine Wand trennten. Wieder also bekam ich nicht ganz zu fassen, worauf ich eigentlich aus war.
    Â»Immer fehlte mir etwas«, wie sich David Copperfield beklagt. Immer fehlt etwas, wenn man dem Diamantharten in Frauen verfallen ist. Aber für diese Erkenntnis musste David Copperfield erst zu Philip Pirrip heranreifen.
    Vier Monate währte unser neues Arrangement – ich, versteckt im eigenen Haus, während Marius sich darin wie zu Hause fühlte –, dann kam Marisa mir auf die Schliche. Es war ohnehin immer eine komplizierte Logistik erforderlich: entweder vor ihr oder nach ihr das Haus betreten, daran denken, die Alarmanlage entweder ein- oder auszuschalten, alle verräterischen Spuren, die auf meine Anwesenheit deuteten, wegräumen, sich mucksmäuschenstill verhalten, aber schließlich verpfuschte ich die Sache doch, ließ einen Mantel, den ich eigentlich auf dem Weg zur Arbeit hätte tragen sollen, über dem Treppengeländer hängen und stolperte auch noch über einen Karton mit alten Papieren in der Rumpelkammer, als ich mich anders hinlegen wollte. Marius hörte nichts. Marisa tat so, als hätte sie nichts gehört, aber die Lust war ihr für den restlichen Nachmittag vergangen. Nachdem sie Marius aus dem Haus gelassen hatte, kam sie zu mir. Sie trug ein Seidennegligé, das ich noch nie an ihr gesehen hatte, schwarz, mit sehr dünnen Trägern, dazu putzige Pantöffelchen mit hohen Absätzen. Es überraschte mich, sie – die ihre Kleider sonst mit akribischer Sorgfalt wählte – so offensichtlich im Gewand der Mätresse eines anderen Mannes zu sehen. Und es gefiel mir. Worte waren zwar mein Medium, aber gelegentlich war auch ein anschaulicher Hinweis ganz hilfreich. Wenn mich nicht alles täuschte, trug sie eine Bissnarbe, wenigstens war ein Flecken aufgerissener Haut zu sehen, direkt im Ausschnitt ihres Negligés, oberhalb der rechten Brust.
    Â»Erklär mir das«, sagte sie.
    Â»Erkläre mir das da«, hätte ich am liebsten geantwortet, fürchtete mich jedoch vor der Wahrheitsliebe des wirklichen Lebens. Wenn sie nun erst in das Negligé gestiegen war und sich die Narbe aufgeschminkt hatte, nachdem Marius gegangen war, um die Schrauben der Eifersucht anzuziehen? Und in dem Moment, in dem ich sie danach gefragt, die Täuschung eingestanden hätte, um die Schrauben zur Strafe wieder zu lockern?
    Außerdem hatte ich nicht das geringste Recht, sie darum zu

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