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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Stachel der Missachtung, dann bitte schön. Ich missachte dich. Und wenn dir das nicht reicht, weiß ich nicht, was ich dir noch geben soll. Lass dich auspeitschen.«
    Was ich wie befohlen tat.
    *
    Vorher jedoch geschahen noch ein paar seltsame Dinge, nacheinander, und keines trug dazu bei, meine Stimmung zu verbessern.
    Als Erstes bekam ich eine anonyme Nachricht. Es war eine Kunstpostkarte von Edvard Munchs Selbstbildnis, Nachtwanderer an meine Geschäftsadresse, aber an mich persönlich gerichtet, und darauf stand: »Bringen Sie Ihr Leben in Ordnung.«
    Ich saß am Schreibtisch und ging gerade die Post durch, als ich sie fand. Ich hob den Blick und sah Dulcie an, die mir in dem Moment Tee und Plätzchen brachte. Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab damit nichts zu tun«, sagte sie. Wäre ihr die Karte vor mir in die Hände gefallen, hätte sie sie wahrscheinlich zerrissen.
    Das hätte ich auch tun sollen, aber ich konnte nicht. Alle zehn Minuten unterbrach ich meine Tätigkeit und untersuchte die Karte aufs Neue, als rechnete ich damit, einen Hinweis zu finden, der mir vorher entgangen war. Die Handschrift kam mir nicht bekannt vor, aber das hatte nichts zu bedeuten. Wer bekommt heute noch die Handschrift von anderen Leuten zu sehen? Marius kam natürlich in die engere Wahl, weil er der einzige Mensch war, der mir einfiel – wenn ich an unsere letzte Begegnung dachte – und mir vielleicht übelwollte, falls die Aufforderung, ich solle mein Leben in Ordnung bringen, übler Wille war. Allerdings kannte Marius weder meinen Namen noch meine Adresse, und Marisa würde sich hüten, sie ihm zu geben. Außerdem entsprach »Bringen Sie Ihr Leben in Ordnung!« kaum seiner Ausdrucksweise. Es war viel zu verbindlich.
    Wer kam sonst noch infrage? Ernesto. Warum sollte Ernesto mir sagen, ich sollte mein Leben in Ordnung bringen, wenn ich ihn erst gerade in sein eigenes entlassen hatte? Rafaele? Rafaele war in Umbrien und aß polnische Wurst. Wer wusste sonst noch, dass mein Leben in Unordnung war? Es sei denn, ganz Marylebone war Zeuge, dass man mir die Hörner aufgesetzt hatte – wogegen ich natürlich nichts haben konnte. Mir fielen sofort einige meiner kontaktfreudigeren Antiquariatskollegen ein, die nach ein paar Brandys mal ihrer Geilheit Luft gemacht hatten, weil ich sie nicht gebremst hatte. Sie hatten mir ihre Meinung gesagt, dass ich doch ein rechter Glückpilz sei, verheiratet mit einer Frau, die einen herrlichen Körper habe, unersättlich wie das Verlangen der Männer, sich seiner zu bedienen. Sie könnten damit nicht umgehen bei einer Frau – »Hätte nicht den Mumm dazu, mein Freund« –, doch wenn ich damit kein Problem hätte, »Hut ab!«. »Sie hat mich verhext«, hatte ich ihnen gestanden, und sie hatten geantwortet, ja, sie sei eine Hexe, meine Frau, und was für eine. In ihren funkelnden Augen sah ich die Hexensehnsucht, die in jedem Mann schlummert, und behauptet er noch so sehr das Gegenteil.
    In dem Fall aber waren es meine Kollegen, die ihr Leben hätten in Ordnung bringen müssen, nicht ich.
    Die Auswahl gerade dieser Kunstpostkarte hatte zudem etwas Unstimmiges, das mich irritierte. Der Munch in diesem Selbstporträt hätte sein Leben bestimmt gerne in Ordnung gebracht, wenn er nur gekonnt hätte, doch das Leben war an ihm vorbeigezogen. Das Bild in seinen düsteren Farben ist die einfühlsame, quälende Studie eines Gehetzten, mit dunklen Augenhöhlen, der kaum wagt, sich der Nacht zu stellen. Wer immer die Karte ausgesucht hatte, konnte unmöglich Hass gegen mich empfinden.
    Marisa?
    Â»Liebling, bring dein Leben in Ordnung, unser Leben. Mein lieber Ehemann, du sollst nicht so enden wie Herr Munch, freudlos und ohne Augen .«
    Aber eine anonyme Karte, in der Handschrift eines anderen, das war nicht Marisas Stil. Und es entsprach auch nicht ihrer Stimmung, wie ich erst kürzlich festgestellt hatte. »Bring dein Leben in Ordnung« ist nicht das Gleiche wie »Lass dich auspeitschen«.
    Ich hätte mich weiter darüber aufgeregt, wenn wir nicht am selben Vormittag im Geschäft unerwartet hohen Besuch bekommen hätten – aufgrund eines Fehlers in unserem elektronischen Terminplaner jedenfalls für mich unerwartet. Der bedeutendste aller James-Joyce-Biografen gab uns die Ehre, direkt aus seinem Oxford-College angereist, wo er in geistigem Glanz residierte und

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