Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
Vom Netzwerk:
bitte nicht. Allgemein pervers, das reicht mir.«
    Â»Den Augenzeugen habe ich sowieso nicht gelesen«, sagte ich. »Aber das werde ich jetzt nachholen, da Sie ihn mir empfohlen haben. Spielt der nicht in Französisch-Guayana? Ich war immer dieser Meinung, obwohl man es, glaube ich, als Leser gar nicht erfährt, dass Die Jalousie oder die Eifersucht in Französisch- Guayana spielt. Die Jalousie kennen Sie doch bestimmt. Das ist die Geschichte, in der die Hauptfigur – wenn man sie so nennen kann – auf einem Stuhl sitzt und die Reihen der Bananenbäume zählt, die zwischen seinem Haus und einem Nachbarhaus stehen, in dem er seine Frau verdächtigt, sich mit einem anderen Mann zu vergnügen. Der beste Roman, der je über die Banalität des Argwohns geschrieben wurde. Er ist so authentisch ermüdend in der Art, wie er die Überwachung in allen Einzelheiten wiedergibt, dass er unlesbar ist.«
    Â»Danke, dass Sie mir die Lektüre erspart haben.«
    Â»Andererseits«, sagte ich, als hätte es seinen Einwand nicht gegeben, »ist es nun mal so. Man zählt die Bäume, man nimmt die unterschiedlichen Höhen der Stämme wahr, man entziffert das Gewirr der Farnwedel, man misst die Unregelmäßigkeit der Baumreihen aus, und dann fängt man wieder an zu zählen, immer wieder von vorn, denn Eifersucht ist der strengste Zuchtmeister. Er verlangt von seinen Opfern eine Genauigkeit, die den durchschnittlich obsessiven Erbsenzähler verrückt machen würde.«
    Â»Ich glaube, Sie haben mich soeben von Französisch-Guayana abgebracht.«
    Â»Aber doch hoffentlich nicht von Robbe-Grillet.«
    Â»Doch. Sie haben so eine Art, mich von fast allem abzubringen.«
    Â»Auch von Eifersucht?«
    Â»Nicht nötig. Bis dahin habe ich mich noch nie verstiegen.«
    Â»Nie erlebt? Nie toleriert?«
    Â»Weder noch. Sie ist eine Untugend, ausnahmslos. Jeder Mensch hat die Kraft, sich von einem anderen zu lösen.«
    Â»Aber vielleicht will man sich ja gar nicht von ihm lösen.«
    Â»Genau, vielleicht nicht. Das meine ich ja gerade mit Untugend. Man kann, aber man tut es nicht.«
    Â»Sie müssen ein glücklicher Mensch sein«, sagte ich, »bei so viel Selbstdisziplin.«
    Â»Wenn das der Auftakt zu weiterem perversem Gerede sein soll«, sagte er, »dann lasse ich Sie jetzt allein.«
    Â»Perversionen, das war gestern. Die interessieren mich nicht mehr. Heute möchte ich nur noch über Liebe sprechen.«
    Â»Dann lasse ich Sie jetzt sofort allein.«
    Â»Nur noch eins, bevor Sie gehen.« Beinahe hätte ich an seinem Jackett gezerrt, um ihn zurückzuhalten, so begierig war ich, das Gespräch fortzusetzen. »Selbstverständlich geht es mich nichts an, aber könnte es sein, dass Sie keine Eifersucht kennen, weil Sie noch nie verliebt waren? Wenn es keine Person gibt, die sie nicht verlieren mögen, versteht es sich von allein, dass es Ihnen nichts ausmachen würde, sie zu verlieren. Oder ihn. Wenn man dagegen bis über beide Ohren verliebt ist …, aber Sie sind doch ein belesener Mann, so etwas müsste Ihnen doch alles aus Büchern bekannt sein. Wünschen Sie sich das nicht manchmal? Beneiden Sie nicht manchmal diejenigen, die dank ihrer Eifersucht so lebendig werden, dass sie alles registrieren – so wie Robbe-Grillet: selbst die winzigste Schwingung jedes Gegenstandes, der als Zeuge oder Bestätigung ihres Verdachts dient; jedes Haar auf dem Kopf der geliebten Person, jeden Knopf an ihrer Jacke, ja, auch jede Banane an einem Bananenbaum, wenn man zufällig in Französisch-Guayana lebt …«
    Â»Nein«, sagte er und verließ ohne ein Wort des Abschieds die Buchhandlung.
    Ich entschuldigte mich bei Stefan, dem Ladeninhaber. Im Buchhandel kennt man sich untereinander, man behält sich wohlwollend im Auge. »Entschuldigen Sie, Stefan«, sagte ich. »Anscheinend habe ich Ihrem Kunden ein Buch ausgeredet.«
    Â»Und mich zu Robbe-Grillet überredet. Womit soll ich anfangen? Die Jalousie oder Der Augenzeuge ?«
    Â»Sie haben zugehört?«
    Â»Der ganze Laden hat zugehört, Felix. Sie haben nicht zufällig Lust, das auf regelmäßiger Basis zu wiederholen, oder?«
    Â»Was? Und jedes Mal einen Kunden zu vergraulen?«
    Ich fand, das Mindeste, was ich unter diesen Umständen tun konnte, war, selbst ein Buch zu kaufen, The Rough Guide to West Africa .
    Â»Soll

Weitere Kostenlose Bücher