Liebesdienst
marokkanisch, englisch â, die mein Vater auf die ordinärste Weise für mich entschlüsselte. »Die pisst dir in den Mund â willst du das? Soll gut für das Zahnfleisch sein.« Keines der Mädchen war auÃergewöhnlich hübsch, aber sie waren auch nicht unattraktiv. Jahre später erwähnte ich diesen Umstand gegenüber meinem Vater während einer seiner Tiraden gegen die Freudlosigkeit des Geschlechtsverkehrs in England. »Das meinst du nur, weil du noch nie auf der Reeperbahn warst«, sagte er.
Ich war schon mal da gewesen, aber es lohnte nicht, deswegen einen Streit vom Zaun zu brechen.
Von meinen Onkeln weià ich es nicht, aber mein Vater hatte nicht die geringste Lust, geschlagen zu werden. Er nannte es »sich Prügel abholen«, aber selber prügeln wollte er selbstredend gerne. Die meisten »Erziehungsanstalten« bieten sowohl Devote als auch Dominas, und in dieser speziellen »Erziehungsanstalt« wusste man offenbar bereits, welche unter den Devoten mein Vater bevorzugte. Sie war ein blasses Mädchen, eine Dickens-Figur mit groÃen flehenden Augen. Die anderen trugen alle hochhackige Showgirl-Pumps und unterschiedliche Wicked-Witch-Schnürkorsetts, sie dagegen nur einen gelblichen Slip, ihr Haar war glatt und von zwei altjüngferlichen Spangen festgehalten, damit es ihr nicht in die Stirn fiel. An den FüÃen hatte sie Schuhe, wie sie einem wahrscheinlich am ersten Tag im Waisenhaus ausgehändigt werden. Warum mein Vater für die Dienste gerade dieses Mädchens bezahlte, wenn bei uns zu Hause und im Geschäft jede Menge solcher Gestalten herumliefen, mit denen er sich auf seine Art vergnügte, begriff ich erst viel später. Es war die Tatsache, dass er sie bezahlte, die einen groÃen Teil der Erregung ausmachte. Sobald er sich von seinem Geld getrennt hatte, hätte er auch nach Hause gehen können.
Ich entschied mich für eine sehnige, rothaarige Domina, die mich gründlich musterte, was mich ziemlich erregte, und die mir sagte, sie studiere Psychologie und Soziologie am Queen Mary College, was mich noch mehr erregte. »Ich studiere in Oxford«, sagte ich.
»Schön«, sagte sie, legte mir ein Lederhalsband an und führte mich an der Leine auf und ab durch die Attrappe eines kleinen Dungeon. Er sah aus wie eine Kerkerkulisse bei Madame Tussaudâs um die Ecke und war so abgeschmackt, dass ich laut losgelacht hätte, wenn Lachen in diesem Rahmen schicklich gewesen wäre.
»Und dein Studienfach?«, fragte sie mich.
»Altphilologie.«
»Wow. Ich unterhalte mich gerne auf hohem Niveau.«
»Ich auch«, sagte ich.
»WeiÃt du, was Freuds Problem war?«, sagte sie. »Er meinte, normaler Sex müsste immer auf ein Endziel hinsteuern. Alles, was sich dieses Ziel versagt, betrachtete er als Perversion. Danach wären wir beide pervers.«
»Sind wir aber nicht.«
»Genau. Das sind wir nicht. Gefällt es dir?«
»Was, das Halsband? Ja, ganz gut.«
»Möchtest du lieber am Schwanz herumgeführt werden?«
»Vielleicht.«
»Dafür musst du ein ganz braver Junge sein.«
»Und wenn nicht?«
»Dann kriegst du das hier«, sagte sie und gab mir eine Ohrfeige. Sie trug schwarze Ãrmelhandschuhe, wie meine Mutter sie auf Beerdigungen anzog, was die Kränkung noch steigerte.
»Das tat weh«, sagte ich.
Sie schlug mich erneut.
»Nein. Ich meine, es tat wirklich weh. Wenn du mich noch mal schlägst, gehe ich.«
»Dann hat es also keinen Zweck, dich an den Marterpfahl zu binden.«
»Nein.«
Sie sah mich an, die Hände gefaltet. Sie hatte etwas von El Grecos Mater Dolorosa an sich, erschöpft und wie gestreckt in ihrer Sado-Kluft.
»In dem Fall kann ich nur vermuten, dass du ein moralischer Masochist bist.«
»Im Gegensatz zu �«
»⦠einem sexuellen Masochisten.«
»Ich wusste gar nicht, dass ich überhaupt einer bin.«
»Was willst du dann hier?«
»Es war nicht meine Idee. Mein Vater hat mich hier hergeschleppt.«
»Und du tust alles, was dein Vater dir sagt.«
»Nur wenn er dafür bezahlt.«
»Er bezahlt? Weià das deine Mutter?«
»Meine Mutter? Um Himmels willen. Nein.«
Sie legte den Kopf wissend zur Seite, wie ein groÃer roter, strubbeliger Papagei. »Das klingt ein bisschen verdächtig«, sagte sie. »Als würdest du deine
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