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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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einem Galeriebesuch nach Hause kam, tat Marius in den Augen weh. Kunst war nicht der Grund, warum er sie verließ. Der Verfall ihres Körpers war der Grund, warum er sie verließ. Aber wer vermag zu sagen, ob nicht die Vorliebe, sich mit Kunst zu umgeben, vor allem Kunst der übermäßig imaginativen Art – ihre absolute Lieblingsausstellung war die Schau der präraffaelitischen Fairy Paintings im Victoria and Albert Museum, und sie besaß, oder hatte besessen, signierte Erstausgaben aller Werke von Tolkien, einem ehemaligen Bekannten ihres Vaters und ihres Mannes –, wer also vermag zu sagen, ob nicht rauschhafte Kunst, in welcher Form auch immer, nicht mit dazu beigetragen hatte, ihr Fleisch von den Knochen zu lösen?
    Im Übrigen erwies sich Marius als schwierig, es war nicht leicht, ihm auf den Fersen zu bleiben. Die einzige Regelmäßigkeit abzupassen, auf die ich zählen konnte – sein Vier-Uhr-Kaffee an irgendeinem Kaffeehaustischchen in der High Street, vorzugsweise vor dem griechischen Café, gegenüber der Reisebuchhandlung –, war zu riskant. Ich möchte bezweifeln, dass er mich von der Beerdigung in Shropshire wiedererkannt hätte, aber das Wagnis wollte ich nicht eingehen. Für mein Anliegen war es wichtig, dass er von meiner Existenz nichts wusste.
    Ich fing an, mich häufig im Knopfgeschäft aufzuhalten, bloß um unter ihm zu sein. Wenn der Laden leer war und ich angestrengt lauschte, bildete ich mir ein, ihn auf und ab gehen zu hören. Noch immer suchte ich nach einem Eröffnungssatz für ein Gespräch. Im Verlauf dessen kaufte ich mehr Knöpfe, als ich brauchte, aber hatte den Eindruck, dass ich auf diese Weise gleichsam Witterung aufnahm und folglich, sollten wir im selben Supermarkt einkaufen oder denselben Arzt aufsuchen, seine Nähe spüren würde.
    Vielleicht war es purer Zufall, vielleicht die Witterung, die mich eines Mittags in die Fromagerie des Viertels lockte, wo Marius gerade über Käse sinnierte. Dass er sich fast ausschließlich von Brot und Käse ernährte, hatte ich bereits herausgefunden. Ich war mir sicher, dass es keinen Tisch in seiner Wohnung gab. Seine Mahlzeiten, stellte ich mir vor, nahm er auf der Bettkante sitzend ein, schnitt den Käse mit einem scharfen Obstmesser und riss das Baguette mit den Händen auseinander. Es war die gehemmte Explosivität, die dem Bild etwas Satanisches verlieh. Kein Mensch von seiner Größe und seinem Temperament konnte lange so weiterleben.
    In der Fromagerie spürte man die Spannung, die von ihm ausging. Alle um ihn herum verfielen in Schweigen, während er in den Käse murmelte und ein rattenfallengroßes Stück nach dem anderen aussuchte, wobei die Pausen nach jeder Wahl länger wurden.
    Â»Kann es noch etwas für Sie sein?«, fragte die junge Frau hinter der Theke, durchaus begründet, da Marius inzwischen so zerstreut war, dass er wie abwesend wirkte.
    Die Frage löste eine schnaufende, verzweifelte Belustigung in den Tiefen seines Schnurrbartes aus. »Ob es noch etwas sein kann? Ich hoffe doch sehr. Aber was es sein kann, und wann es sein kann – davon habe ich keinen Dunst. Die Zeit ist unwiderrufbar. Das, was sein wird, so wie das, was hätte sein können, ist ein abstrakter Begriff und bleibt als Möglichkeit bestehen nur in der Welt des spekulativen Denkens – das hat schon ein Dichter richtig bemerkt.«
    Â»Das macht dann siebzehn Pfund und dreißig Pence«, sagte die junge Frau. Ich nahm an, dass sie sein Geschwafel gewohnt war.
    Ein letztes tragisches proteisches Schnaufen, dann pellte er, wie ein Oxford-Don, der sich einer Schutzgelderpressung fügte, einen Zwanzigpfundschein von einem Geldbündel, das er in der Gesäßtasche seiner Cordhose aufbewahrte.
    Â»Danke auch, Puppe«, sagte er und strahlte sie mit seinen eisigen kummervollen opalblauen Augen an, während sie ihm das Wechselgeld herausgab. Er wollte sich nicht über sie lustig machen. Im Gegenteil. Die Elenden werden das Land erben, nachdem die Hochmütigen es zugrunde gerichtet haben, daran glaubte Marius. Und dann werden die Elenden es ihnen nachtun.
    Puppe . Du lieber Himmel! Wer sagt denn heute noch Puppe zu einer Frau?
    Ich weiß nicht, wie es ihr dabei ging, aber mir wurde ein wenig schlecht, als ich das hörte.
    Puppe!
    War es überhaupt noch erlaubt, eine Frau so anzureden? Es hätte von Anfang an

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