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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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an der Welt, der sie soeben entstiegen sind – doch auch das ist ein anderes Thema.
    Nein, die Liebe, von der ich spreche, die verzweifelte, die blutige Liebe, die einzige Liebe, die den Namen verdient, das letzte erotische Abenteuer, das uns vor der Auslöschung noch bleibt – diese Liebe erfordert einen zweiten Mann. Einen Rivalen. Keinen Mitgenießer der Liebesdienste Ihrer Angetrauten, keinen Jim für Ihren Jules und keinen Jules für Ihren Jim. Keinen Ersatz für Sie, keine jüngere Ausgabe von Ihnen, keinen Ihresgleichen, keinen Fels-in-der-Brandung-Heathcliff, sondern die wahre, gefürchtete, wetterfeste und für alle Lebenslagen taugliche Alternative zu Ihnen. Einen Mann, wie er zu sein Ihnen nicht gegeben ist. Einen, der Sie ausradieren kann, als wären Sie nie gewesen.
    Solche Fantasiegebilde kommen und gehen, manchmal handelt man daraufhin, meistens jedoch nicht, bis die Fantasie vergeht und andere Bestimmungen sucht, jenseits der Obsession. Für die Glücklichen, oder auch Mutigen, werden aus Fantasien Fakten. Sie lassen ihrem Wesen freien Lauf. Sie gewähren den Dämonen Zutritt zu ihrem Herz. Sie müssen sich keine Fragen stellen. Sie wissen, sie brauchen nicht wie Othello um einen sichtbaren Beweis zu bitten. Sie haben den Beweis. Und ihre Liebe zu der Frau, die sie betrügt – wobei eher von Vollzug als Betrug die Rede sein müsste –, erblüht zu rückhaltloser Bewunderung.
    Kein Mann hat je eine Frau angebetet, der sie nicht in den Armen eines anderen weiß.
    Kein Mann hat je seine Frau so angebetet wie ich, Felix Quinn, Marisa Quinn angebetet habe, schon jetzt die Geliebte anderer Männer und bald – sehr bald, so Wünsche Flügel haben – die Mätresse von Marius.
    *
    Das Erstaunliche ist, dass ich diese Rolle bereits gespielt habe, der andere Mann, der Rivale, die gefürchtete Alternative zu dem Mann, den sie schon hatte, bevor ich ihr Ehemann wurde. Die besten Gehörnten sind immer die, die zuvor anderen Hörner aufgesetzt haben. Sie kennen die Ungeheuerlichkeit des Betrugs, der kein Betrug ist, aus der Binnenperspektive. In unserem Fall allerdings war es tatsächlich ein Betrug, weil der Kontrahent außerstande war, Gefallen daran zu finden, dass ich ihn verdrängt hatte. In der Psychopathologie des Alltags gibt es häufig solche Opfer: Männer, die sich die exquisitesten Empfindungen, die die Liebe zu bieten hat, entgehen lassen, weil sie es nicht vermögen, der Eifersucht einen Platz in ihrem Herzen einzuräumen.
    Er sammelte antiquarische Bücher, und ich verkaufe antiquarische Bücher. Ich besorgte ihm, wonach er suchte, und wir wurden Freunde. Lassen Sie sich das eine Warnung sein: Freunden Sie sich nicht mit dem Buchhändler an, der Ihre Bibliomanie befriedigt, sonst befriedigt er als Nächstes noch Ihre Frau.
    Mir ist bewusst, dass sich mein Ton verändert, wenn ich mich an meine Rolle als Liebhaber erinnere. Mich überkommt eine etwas grobe Leichtigkeit, die mir, ehrlich gesagt, nicht sehr behagt. Das zeigt – hätte es noch eines Beweises bedurft –, dass mir die Rolle des Verführers, oder wie immer man die Rolle des Täters umschreiben will, nicht liegt. Ich bin mir selbst nur treu, wenn ich der Leidtragende bin. In diesem einen Fall jedoch – vielleicht weil ich voraussah, wohin es mich letztlich führen würde – war ich derjenige, der dem anderen die Hörner aufsetzte.
    Aus ihrem Verhalten bei unserer ersten Begegnung ließ sich unmöglich ablesen, ob die Ehe, die Marisa führte, glücklich war oder nicht. Sie wirkte unbeständig, das war mein stärkster Eindruck von ihr. Sie war jemand, der sich noch nicht niedergelassen hatte, so wie ein Schmetterling, der sich auch nie dauerhaft niederlässt. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass sie, wie der Schmetterling, der Thanatos begleitete, sterben würde, ehe der Nachmittag vorüber war, ich hätte es geglaubt – obwohl sie aussah wie das blühende Leben. Von ihrer Kleidung her vollkommen im Hier und Jetzt, stets elegant, urban, modern, in Pumps mit Metallabsätzen, eine Frau voller Energie, die jeden Mann mit seinen eigenen Waffen zu schlagen vermochte, war sie doch irgendwie nicht ganz bei uns. Wenn sie über etwas lachte, das jemand gesagt hatte – wir waren nur zu dritt, Marisa, ihr Mann und ich, und tranken Tee im Claridge’s, das Vier-Uhr-Ritual –, dann war

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