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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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verboten gehört.
    *
    Er kaufte nicht täglich zur Mittagszeit Brot und Käse in der Fromagerie, doch oft genug, dass ich hoffen durfte, eines Tages würden sie sich dort treffen – er und Marisa –, da auch sie gerne Käse aß und die Fromagerie das Geschäft war, wo man ihn kaufte, jedenfalls an den Wochentagen, wenn kein Markt war.
    Schließlich – auch wenn ich meinen ganzen Scharfsinn darauf verwenden musste, damit es zustande kam – trafen sie tatsächlich aufeinander.
    Als Experte für beide Personen sah ich sie jeweils mit ihren Augen. Er, angestaubt wie eine Schlange, ungeachtet des warmen Wetters mit Halstuch, der ewige Student, gerade aus Wittenberg angereist, ohne besonderes Ziel, in Gedanken bei seinem satanischen Mittagessen. Sie, in einem Bleistiftrock mit sehr hoher Taille, der so eng war, dass er sich gefragt haben wird, ob ihre Haut noch Luft bekam, die Sonnenbrille ins Haar gesteckt, Ohrringe, die klapperten, als sie das Geschäft auf ihren Stilettos im Stechschritt durchmaß. Ein Alien im Bioladen. Meiner sensibilisierten Wahrnehmung nach war sie stärker abgelenkt als sonst, der hübsche Jagdgöttin-Diana-Kopf leicht zur Seite geneigt, als dächte sie über einen Vorschlag nach. Ich wusste genau, wann Marisa einen Mann registrierte. Das zu beobachten, hatte ich ausreichend Gelegenheit gehabt. Sie räusperte sich. Marius hatte ich bisher nur mit Beute gesehen, die zu jung war, und einer Mätresse, die zu alt war, deswegen wusste ich nicht, auf welche Veränderungen ich bei ihm achten musste. Aber ich sah, wie er die Enden seines Schnurrbarts zwischen die Finger nahm und sie zu Stacheln zwirbelte. Ziegenhörner gelangen ihm nicht gerade, aber deutlicher hätte er sein Interesse nicht signalisieren können.
    In einer Sekunde war alles vorbei – nur ein registrierendes Zucken der Augenlider, nach Art hochgezüchteter Katzen, die auf der Straße aneinander vorbeilaufen.
    Wären sie Katzen gewesen, ich hätte die beiden sich selbst überlassen. Sie hätten gewusst, wie der nächste Schritt auszusehen hätte. Aber Marisa und Marius waren ein überkultiviertes Paar. Auf sich allein gestellt, wären sie nicht weiter vorangekommen, und wenn sie sich noch so oft im Käsegeschäft getroffen hätten. Dazu waren sie sich viel zu ähnlich, sie weckten ineinander nur die Romantik des Unmöglichen.
    Ich hingegen drängte weiter, schneller, als es sich gehört, von der subtilen Andeutung von Erotik hin zur plumpen Vereinigung. Eifersucht wirkt mit größerer Geschwindigkeit als selbst der kühnste Ehebruch – von einem fallen gelassenen Taschentuch bis zum Akt der Schande, tausendmal begangen, braucht es bloß einen Augenaufschlag. Und von Begierde genährte Eifersucht wirkt noch schneller. Kaum war mir der katzenhafte Hochmut in dem Blickwechsel der beiden aufgefallen, standen mir schlagartig alle weiteren Phasen vor Augen; Marisa, bebend, den Kopf gesenkt, das Hinterteil hochgereckt; Marius, mit ausgefahrenen Klauen, ihr Fell zur Seite streichend, scharlachrot, obszön wie eine Blutspur …
    Ich war nicht verrückt. Bis es so weit war, musste ich mich noch eine Weile gedulden.
    Aber wenigstens war etwas ins Rollen gekommen. Und für die Zwischenzeit mangelte es mir nicht an Einfallsreichtum. Ich kannte die Schwächen der beiden. Bei Marisa Gespräche. Bei Marius Frauen, die schon einen Mann hatten, und – vorausgesetzt, sie war nicht esoterisch, vorausgesetzt, sie war verdorben – Kunst. Ich brauchte die beiden nur noch in ein Museum und miteinander ins Gespräch zu bringen.

2 Marisa
    Â»Er tanzte nicht gern. Er spielte nicht gern. Er trank nicht einmal gern. Eifersucht war seine einzige Leidenschaft. Er freute sich an ihr, er lebte von ihr.«
    Joseph Roth, Geschichte von der 1002. Nacht
    Â»Obwohl in Ostindien die Sittenreinheit besondre Achtung genoss, hat es einer verheirateten Frau der Brauch erlaubt, sich jedem hinzugeben, der ihr einen Elefanten schenkte …«
    Michel de Montaigne, Essays

Kein Mann, der je eine Frau geliebt, hat sie sich nie in den Armen eines anderen vorgestellt.
    Ich wiederhole diesen Satz nicht nur, weil es mir Freude macht, mir Marius’ entsetztes Gesicht vorzustellen. Ich wiederhole ihn, weil es eine kategorische, unerschütterliche Wahrheit ist, auch wenn ich fest damit rechne, auf Widerspruch zu stoßen. Eher gibt ein Mann sein

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