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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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ihn in ein Altersheim in Hertfordshire gesteckt, wo er – wie ich schon sagte und gerne wiederhole, weil es mir Freude macht, die Worte auszusprechen – mit älteren Damen, die krank im Kopf waren, Canasta spielte und ihnen Versprechungen machte, die er nicht halten konnte. Mit meiner Mutter hatte er dasselbe gemacht. Mit mir im Grunde auch. Er hatte versprochen, mir niemals das Geschäft zu überantworten, und jetzt war ich Geschäftsführer. Was er mir niemals zu verzeihen versprach. Aber selbst er staunte an dem einen Mal, als ich ihn besuchte, darüber, wie gut ich aussah.
    Â»Man könnte glauben«, sagte er und spuckte in eine Schale, »dass du doch noch jemanden zum Vögeln gefunden hast. Doch wohl hoffentlich keinen Mann, oder? Deine Mutter hatte einen Bruder, der von dieser Fraktion war. Würde mich nicht wundern, wenn es in deinen Genen steckt.«
    Â»Nein«, sagte ich. »Es ist kein Mann.«
    Obwohl, streng genommen …
    Mein Arzt ließ sich sogar zu der Behauptung hinreißen, die Ehe täte mir so gut, dass sie mein Leben um mindestens zehn Jahre verlängern würde. Meine schlechten Cholesterinwerte waren gesunken, meine guten gestiegen, mein Blutdruck war auf dem niedrigsten Stand, seit der Arzt mich als Patient führte, ich hatte abgenommen, und wenn er meine Größe gemessen hätte, hätten wir wahrscheinlich festgestellt, dass ich um ein paar Zentimeter gewachsen war.
    Â»Ich weiß nicht, was Ihre Frau Ihnen gibt, Mr Quinn«, sagte er, »aber wenn es etwas zum Einnehmen wäre, könnte der Nationale Gesundheitsdienst Millionen einsparen.«
    Â»Ich bin Privatpatient«, erinnerte ich ihn.
    Â»Denken Sie altruistisch«, sagte er.
    Ich fürchte, ich bin rot geworden, so altruistisch war mein Denken.
    *
    Ich sagte, Marisa sei streng gewesen, aber es soll nicht der Eindruck entstehen, dass sie spröde war. Ich war eindeutig der Verrücktere von uns beiden, aber auch der Kritischere. Pervers und puritanisch zugleich zu sein ist nicht ungewöhnlich. Nur der Perverse weiß, wie schmutzig es in seinem Kopf aussieht. Wäre ich der Richter in einem Prozess, der mich des Verbrechens gegen das häusliche Glück anklagte, hätte ich mich zum Tod durch Erhängen verurteilt, in der Morgendämmerung, den Vögeln ausgesetzt, die mich bis auf die Knochen abnagen sollten.
    Marisa dagegen konnte man mit sexuellen Dingen nicht schockieren, sie verurteilte niemanden, schon gar nicht sich selbst. Schon vor mir hatte sie sich hemmungslos ihre Liebhaber ausgewählt, ob sie verheiratet waren oder nicht. Nicht immer ging es nach ihrem Wunsch, denn es gab die Wünsche anderer zu berücksichtigen; mal musste sie zurückstecken, mal konnte sie vorpreschen, nicht immer im Einklang mit ihren Begierden. Als Frau jedoch, die die Freiheiten schätzte, die sonst den Männern zustanden, und die, psychologisch gesehen, das Produkt dieser Freiheiten war, blieb ihr gar keine andere Wahl, als sich Liebhaber zu nehmen, solange es keine zwingenden Gründe dagegen gab. Männer nahmen sich, was sich ihnen bot, sie tat das Gleiche. Die Erfahrungen, die sie sammelte, spornten sie weder an, noch deprimierten sie sie. Gut möglich, dass der Sex gar nicht im Vordergrund stand. Ein Rendezvous zu verabreden und es dann einzuhalten, das war es, wofür sie entflammte: in ein Restaurant ausgeführt zu werden, das sie nicht kannte, zu überlegen, was sie anziehen sollte, sich zu fragen, was als Nächstes passieren würde, wo und wie, ob Heimlichkeit und Gefahr damit verbunden war. Gerne traf sie sich in Hotels, vorausgesetzt, sie boten Komfort, die Betten waren groß und bequem, es gab reichlich warmes Wasser und der Zimmerservice war effizient. Unter vier Sterne tat sie es nicht, dann verzichtete sie lieber ganz auf den Sex. War sie scharf auf die Bettwäsche? Diese Frage stellte sie sich manchmal. Am besten lief es, wenn sie alles selbst in die Hand nahm: Wer sich als Erster an der Rezeption anmeldete; woran man erkannte, ob der andere bereits im Zimmer war oder nicht; wie und in welcher Kleidung man die Tür öffnete und anklopfte oder auch nicht. Die sozialorganisatorischen Aspekte des Ehebruchs – das Wohltätige, das Geben statt Nehmen, mehr für den anderen da zu sein als für sich – fesselten sie; alles Anschließende – das Küssen, das Öffnen der Knöpfe, die Penetration, die

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