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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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der Schauspieler, der den Othello gab, eine solche Energie in seine Eifersucht legte, dass schwer vorstellbar war, wie man als Mann überhaupt leben kann, ohne solche Qualen zu erleiden wie er. Zugegeben, das war auch meine Auffassung, doch wenn ich mich im Theater zurückhalten musste, ebenso wie im Bett, wie sollte Marisa dann je erfahren, was für ein Mensch ich in Wirklichkeit war? Aber ich war mit meiner Auffassung nicht allein, und deswegen kam es anschließend im Restaurant Mezzanine zu einer hitzigen Diskussion. »Nach der Vorstellung, die wir gerade gesehen haben, könnte man meinen«, protestierte der Mann von Marisas Halbschwester, »Othello forderte es geradezu heraus, dass Desdemona ihm untreu wird. So verstehe ich das Stück nicht, muss ich sagen.«
    Ich mochte Rowlie ganz gern, schon weil seine Frau ihn nicht mochte, und sie mochte ich nicht, weil es an ihm nichts gab, was nicht liebenswert war. Ich wusste nicht genau, was er beruflich machte. Ich glaube, irgendwas mit Immobilien. Sein Beruf war allerdings auch unerheblich, viel erheblicher war, welche Schule er besucht hatte, das sagte alles über ihn, wie bei so vielen englischen Männern. Auch für mich galt das zu einem gewissen Grad, nur war ich um einige Tausend Pfund Schulgeld unbedeutender. Außerdem hing mir nicht mehr an, was Rowlie noch anhing, in seiner Kleidung, seiner Frisur, in seinem ganzen Wesen – nicht nur die guten Manieren und die Gewissheit, jemand Besonderes zu sein, sondern auch der Mief, der mit Internatserziehung einherging, Strebertum und Schulhymne, Kirchgang und Sportplatz, Mutproben und Stockschläge.
    Flops hob eine Augenbraue – auch etwas, das ich an ihr nicht mochte, diese ätzende Aggressivität –, als wollte sie sagen: »Seit wann, mein Lieber, verstehst du was von Theater?« Ich schloss daraus, dass Eifersucht in irgendeiner Form Thema zwischen ihnen war, wobei sie auf ihn eifersüchtig war, nahm ich an, aber sicher war ich mir nicht.
    Â»Ist das nicht gerade ein Charakteristikum der Narben, die Eifersucht bei uns hinterlässt«, wagte ich mich vor, »dass man sich nicht mal mehr daran erinnern kann, wie es ohne sie war?«
    Â»Was aber nicht heißt«, sagte Flops und klimperte mit den Wimpern – sie war auch noch eine Wimpernklimperin –, »dass man sich nicht zurücksehnt nach der Zeit, bevor die Eifersucht begann. Othellos Tragödie, so wie ich sie verstehe, liegt darin, dass er nie wieder zu dem inneren Frieden von früher finden wird.«
    Â»Mohnsaft nicht noch Mandragora«, sagte Marisa verträumt, »noch alle Schlummerkräfte der Natur verhelfen dir zu dem süßen Schlaf, den du noch gestern hattest.«
    Eine Vorahnung, wie von einer kommenden Freude oder einem Schmerz, brachte mein Blut in Wallung und versetzte mir einen Stich ins Herz.
    Â»Ja, schon, aber das ist Jago«, gab Rowlie zu bedenken. »Der Othello, den wir gerade gesehen haben, wollte keinen süßen Schlaf.«
    Â»Wer will den schon?«, verkniff ich mir mit großer Anstrengung.
    Â»Trotzdem komisch, findest du nicht«, sagte Marisa, »dass Jago der Architekt und der Dichter von Othellos Untergang ist. Ich bin immer überrascht, wie eindringlich er über sein Opfer spricht und welches Mitleid er für ihn empfindet.«
    Â»Spricht er dabei nicht viel mehr von sich selbst?«, erwiderte Flops. »Er ist es, dem der süße Schlaf fehlt.«
    Â»Meinst du, weil er auch eifersüchtig ist?«
    Â»Ja, darauf, was Othello mit seiner Frau anstellte.«
    Â»Das glaube ich nicht«, sagte Rowlie. »Das klingt mir zu sehr nach einer rationalen Erklärung.«
    Â»Allerdings«, sagte seine Frau.
    Â»Aber ich gebe dir recht«, sagte ich. »Es ist fast so, als müsste Jago praktisch erproben, was ihn zu dem gemacht hat, der er ist. Seine Eifersucht, wenn man sie so nennen will, ist halbherzig. Konfrontiert mit Othello, wird ihm klar, dass es zu dem echten Gefühl nicht reicht. Er weiß, was Neid ist, was Unmut ist, was Bosheit ist, aber für Eifersucht im großen Stil ist seine Fantasie nicht schmutzig oder raffiniert genug.«
    Â»Was ist denn so toll an Eifersucht?«, wollte Rowlie wissen.
    Marisa beschäftigte etwas anderes, was ich gesagt hatte. »Hat Othello eine schmutzige Fantasie?«, fragte sie nach, und es klang, als säße sie in einem anderen Raum.
    Â»Der von heute Abend hatte

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