Liebesdienste / Roman
Wesen weggeworfen wie ein Stück Abfall.
An der Passkontrolle im Flughafen wartete er darauf, dass einer der furchterregenden Beamten ihm die Hand auf die Brust legte und das Rasen seines Herzens spürte, ihm in die Augen schaute und die Schuld darin sah. Doch er wurde mit einer gelangweilten Geste durchgewinkt. Er dachte, die Vergeltung käme rasch, aber es stellte sich heraus, dass die Mühlen der Gerechtigkeit langsam mahlten, ihn platt walzten, bis er schlichtweg nicht mehr existierte.
In dem kleinen Duty-free-Laden kaufte er einen Kühlschrankmagneten für seine Mutter, eine kleine lackierte Matroschka aus Holz. Auf dem Rückflug saß der Lebensmittelhändler neben dem Paar aus Gravesend, eingequetscht auf einem Sitz, der zu schmal für ihn war, und erzählte ihnen, dass er wieder einen Punkt auf der Liste »Dinge, die ich tun will, bevor ich sterbe« abgehakt hatte. Das Essen wurde serviert, eine traurige Mischung kalter Pasta. Martin fragte sich, ob Irinas Stand heute geschlossen bliebe oder ob ihn bereits jemand anders übernommen hatte. Dem Lebensmittelhändler ging es schlecht, als sie landeten. Auf der Rollbahn holte ihn ein Krankenwagen ab. Martin schaute nicht einmal hin.
Da war eine Frau, für die er mittags ein Buch signiert hatte. Er hatte keine Ahnung, warum sie hier war. Sie klammerte sich an ein Exemplar von
Der Affenschwanzbaum
und schrie. Er dachte daran, einen Witz zu machen und zu ihr zu sagen: »So schlecht ist es doch gar nicht, oder?«, aber er tat es nicht. Da war ein blondes Mädchen, das dem verrückten Honda-Fahrer etwas auf Russisch zurief. Der Honda-Fahrer wollte das blonde russische Mädchen umbringen, und dann schritt Jackson ein, um sie zu retten und sich zu opfern. Der Honda-Fahrer war außer sich vor Wut. Etwas stimmte nicht im Kopf von Leuten wie ihm, Leuten, die Hunde durchs Fenster warfen und ihrer Frau eine Pistole an den Kopf hielten. Schlechte Hirnchemie. Wäre Nina Riley hier gewesen, hätte sie gesagt:
Legen Sie die Waffe nieder, Sie Bösewicht.
Doch sie war nicht hier. Martin war allein.
Die Zeit verlangsamte sich. Der Honda-Fahrer schwang den Schläger in dem bekannten Bogen der Vernichtung. Das russische Mädchen sah ihn an. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, ihre blauen Puppenaugen starrten ihn unerschrocken an, ihr kleiner Rosenknospenmund sagte: »Erschieß ihn, Marty.« Und er schoss.
48
E in Schwangerschaftstest.
Jackson war (buchstäblich) in die Wohnung zurückgerannt, hatte seine blutbesudelten Kleider auf den Boden im Bad fallen lassen, war unter die Dusche gesprungen und hatte Terence Smith aus seinem Leben gewaschen. Einen verrückten Augenblick lang hatte er daran gedacht, den ganzen Weg vom Haus der Hatters bis zu Julias Veranstaltungsort zu laufen, aber er sah ein, dass es etwas
zu
dramatisch gewirkt hätte, wenn er mit Blut bespritzt hereingeplatzt wäre. Das hob er sich für
Macbeth
auf.
Es war Multi-Tasking, was er da machte, er zog sich an, rief gleichzeitig ein Taxi, betrachtete sein gequältes Gesicht im beschlagenen Spiegel, blickte zufällig nach unten und sah ihn.
Er nahm den Schwangerschaftstest aus dem Papierkorb und starrte ihn an, als wäre er ein Objekt vom Mond. Es war das Letzte, was zu finden er erwartet hatte, aber warum nicht? In den zwei Jahren, die sie zusammen waren, war es nicht passiert, und jetzt das. Blau. Er war blau. Alle Welt wusste, was das bedeutete. Es erklärte alles, ihre Stimmungsumschwünge, ihren Appetitverlust (bei Sex und Essen), ihre seltsame Zurückhaltung. Julia war schwanger! Was für eine außergewöhnliche Vorstellung – Julia bekam ein Kind. Sein Kind.
Wir bekommen ein Kind
. Ein Kind für Julia. Es gab viele verschiedene Arten, es auszudrücken, aber sie liefen alle auf dasselbe hinaus: In Julia befand sich ein mikroskopisch kleines neues Leben, ein winziges Geschöpf im Bauch der Frau, die er liebte. Er fragte sich, ob es ein Junge würde. Wäre das nicht etwas, einen Sohn zu haben, der Vater zu sein, der sein eigener Vater nie war? Jackson hatte noch immer das winzige Erdnussbaby in der Tasche. Er zog die Jacke an und tastete danach, es war ein Talismann, die Perle eines Rosenkranzes, die er immer wieder in seiner Hand drehte.
Ein Baby würde Julia heilen. Die verlorene Olivia würde in Julias Baby irgendwie wiedergeboren werden. Ein Baby würde alles richten, für Julia und für sie beide. Ein Paar. Wenn sie Eltern wären, würde sie sich irgendwie mit diesem Wort aussöhnen müssen.
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