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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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er existiert nicht.« Dann schaute er sich um und fragte: »Wo sind die anderen beiden?«
    »Welche anderen beiden?«
    »Mrs. Hatter und Tatiana.«
    »Tatiana?«
    »Ein verrücktes russisches Mädchen. Gerade waren sie noch hier. Hören Sie, ich würde wirklich gern bleiben und mit Ihnen plaudern, aber ich muss weg.«
    Das war wirklich lachhaft. »Hier ist jemand
ermordet
worden. Meine Karriere ist beendet, wenn ich Sie gehen lasse. Schlimmstenfalls sind Sie ein Verdächtiger, bestenfalls ein Zeuge.« Das hatten wir doch schon mal. Noch einmal, Louise,
ein Zeuge, ein Verdächtiger und ein verurteilter Straftäter
.
    »Ich weiß, aber ich habe etwas Wichtiges vor, etwas wirklich Wichtiges.« Sie horchten beide auf den Lärm einer lauter werdenden Sirene. Jackson blickte drein wie ein Hund, der einen Pfiff hört. »Ich existiere nicht«, sagte er. »Sie haben mich nie gesehen. Bitte. Tun Sie mir diesen einen Gefallen, Louise.«
     
    Er war ein gerechtfertigter Sünder. Wie Louise.
Louise
.
     
    Wie er ihren Namen ausgesprochen hatte … Sie schüttelte einmal kurz den Kopf, versuchte, ihn aus ihrem Gehirn zu verscheuchen.
    Jackson verließ das Haus durch die Hintertür, als Jim Tucker die Einfahrt hochkam. Sie überlegte, wie sie Jim die Situation darstellen sollte. Würde sie Jackson wirklich aus dem Bild radieren? Die beiden anderen »Zeugen« machten nicht den Eindruck, als hätten sie auch nur den leisesten Schimmer, was hier vorging. Durch die nicht mehr existierende Terrassentür bedeutete sie Jim, durch die Haustür einzutreten.
    »Louise«, sagte er. »Ich wusste nicht, dass du schon hier bist.«
    Sie sah einen Kriminalpolizisten und zwei uniformierte Polizistinnen durch das Tor kommen. Und dann klingelte ihr Handy, und die Welt geriet aus den Fugen.
Archie
. »Ich bin sofort da«, sagte sie zu ihm.
    »Archie«, sagte sie zu Jim. »Ich muss weg.«
    Er zuckte zusammen, ahnte das Chaos, das er von ihr erben würde.
    Louise versuchte, es besser klingen zu lassen, was unter diesen Umständen nicht einfach war. »Jim, ich bin vor einer Sekunde gekommen, ich weiß nicht mehr als du, im Grunde bist du der erste Polizist am Tatort, und
ich muss weg.«
Die Polizisten näherten sich der Terrassentür, änderten jedoch die Richtung, als ihnen klar wurde, dass sie womöglich den Tatort manipulierten. Eine Polizistin überlegte es sich anders und ging zu Martin Canning. Louise hörte sie sagen: »Mr. Canning, Martin? Alles in Ordnung? Ich bin Clare Deponio, erinnern Sie sich an mich?«
    Sie hörte weitere Sirenen, eine davon ein Krankenwagen. Louise schmeckte Blut, wo sie sich auf die Lippe gebissen hatte. Sie sagte nicht:
Du schuldest mir noch einen Gefallen, Jim.
Sie sagte nicht:
Wie geht es deiner hübschen Tochter an der Uni, sie ist vermutlich froh, dass sie nicht wegen Drogenbesitzes angeklagt wurde.
Sie musste es nicht sagen, er wusste, dass er jetzt seine Schuld abzutragen hatte. Was der Mensch sät, das wird er ernten. Er machte wortlos eine Kopfbewegung zur Rückseite des Hauses. Louise formte mit den Lippen das Wort »Danke« und verschwand. Sie fragte sich, wie viele disziplinarrechtlich, möglicherweise strafrechtlich belangbare Taten sie innerhalb der letzten fünf Minuten begangen hatte. Es lohnte nicht die Mühe, sie zu zählen.
    Archie hatte merkwürdig geklungen – angespannt und etwas verzweifelt –, und sie dachte, dass er entweder verhaftet worden war oder jemanden umgebracht hatte. Aber es war schlimmer als das.

47
    D ann betraten er und Irina sein Kakerlakenhotel, gingen an den furchterregenden Männern vorbei, die am Eingang herumhingen, eine Kreuzung zwischen Türstehern und Wachmännern. Sie trugen immer schwarze Lederjacken, rauchten immer Zigaretten. Sie öffneten (manchmal) die Tür und riefen Taxis, aber sie wirkten mehr wie Gangster. Einer von ihnen sagte etwas zu Irina, und sie winkte mit einer verächtlichen Geste ab.
    Und dann waren sie irgendwie in seinem Zimmer, und, ohne zu wissen, wie, stand er in der Unterhose vor ihr und sagte: »Gut gepolstert. Gemacht für Behaglichkeit, nicht für Eile.«
    Dann ein Zeitsprung, und sie saß auf dem schmalen Bett, trug nur noch BH und Schuhe, gab keuchende Laute von sich, die als sexuelle Raserei durchgegangen wären, wenn ihr Gesicht nicht völlig ausdruckslos gewesen wäre. Martin trug zu dem Akt so gut wie nichts bei, er hatte ihn überrascht in seiner Unerwartetheit und Hast. Er kam kurz und leise auf eine Art, für die er sich schämte.

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