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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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»Tut mir leid«, sagte er, und sie zuckte die Achseln und neigte sich über ihn, ihr schönes Haar strich über seine Brust, eine spöttische Geste, die absolutes Desinteresse zeigte. Er sah die dunklen Haarwurzeln, wo die gefärbten Haare herausgewachsen waren.
    Sie stieg von ihm herunter. Der Nebel aus Alkohol in seinem Gehirn lichtete sich, stattdessen senkte sich eine übelkeiterregende, dumpfe Depression auf ihn, als er zusah, wie sie sich eine Zigarette anzündete. Eine Frau in einem fremden Land, eine Frau, die er kaum kannte, zog sich nicht umsonst bis auf BH und Schuhe aus und ritt dich wie ein Pferd. Sie war vielleicht keine richtige Prostituierte, aber sie erwartete Geld.
    Irina hob ihre Kleider auf und machte sich fertig, die Zigarette hing zwischen den Lippen. Sie fing seinen Blick auf und lächelte. »Okay?«, sagte sie. »Du hast Spaß? Gibst du mir kleines Geschenk für Spaß?«
    Er stand auf und hüpfte herum, versuchte seine Hose anzuziehen. Der Abend hatte ihn in Abgründe der Würdelosigkeit gestürzt, die er bislang gemieden hatte, auch in der Phantasie. Er kramte in seinen Taschen nach Geld. Das meiste Bargeld hatte er im Grand Hotel gelassen, und er fand nur einen Zwanzig-Rubel-Schein und ein paar Münzen. Irina blickte angewidert auf das Geld, als er ihr zu erklären versuchte, dass er zur Rezeption hinuntergehen und mit seiner Visakarte Geld holen könnte. Sie runzelte die Stirn und sagte: »
Njet
, keine Visa.«
    »Nein, nein«, sagte er. »Ich biete dir keine Visa an. Ich will Geld
wechseln
. Ich will unten Dollars für dich holen.«
    Sie schüttelte entschlossen den Kopf. Dann deutete sie auf seine Rolex und fragte: »Ist gut?« Sie wickelte das Kopftuch um ihren Kopf, knöpfte den Mantel zu.
    »Ja«, sagte er, »sie ist echt, aber …«
    »Du gibst mir.« Sie klang allmählich schrill und kompromisslos.
    Es war vier Uhr morgens (er hatte keine Ahnung, wie das möglich war, als er zum letzten Mal auf die Uhr geschaut hatte, war es elf gewesen). Im Zimmer nebenan schlief ein pensioniertes Ehepaar aus Gravesend. Was würden sie denken, wenn sie von einer schreienden russischen Frau geweckt wurden, die für Sex bezahlt werden wollte? Was, wenn sie anfinge, zu schreien und Dinge durchs Zimmer zu werfen? Es war lächerlich, die Uhr war über zehntausend Pfund wert, wohl kaum ein fairer Tausch. »Nein, ich hole Geld«, beharrte er. »Und dann wird dir das Hotel ein Taxi rufen.« Er stellte sich vor, wie einer der bedrohlichen Männer in schwarzem Leder sie in ein Taxi setzte, Martin ansah, wohl wissend, dass er gerade für Sex mit ihr bezahlt hatte.
    Sie sagte etwas auf Russisch, trat auf ihn zu, versuchte, ihn am Handgelenk zu packen. »Nein«, sagte er und tänzelte aus dem Weg. Sie stürzte sich erneut auf ihn, und er trat wieder zur Seite, aber diesmal stolperte sie und verlor das Gleichgewicht, und obwohl sie die Hände ausstreckte, um sich abzustützen, konnte sie nicht verhindern, dass sie mit dem Kopf gegen die Ecke des billigen, furnierten Schreibtisches stieß, der in dem kleinen Raum nahezu eine ganze Wand einnahm. Sie schrie leise auf, ein verletzter Vogel, und war dann still.
    Sie sollte aufstehen. Sie sollte aufstehen und sich den Kopf halten. Sie sollte nur eine Schürfwunde oder einen Bluterguss haben. Und er würde wahrscheinlich die Rolex abnehmen und sie ihr geben, um sie für den Schmerz zu entschädigen und damit sie aufhörte, ein Theater zu machen. Doch sie stand nicht auf. Er ging in die Hocke, berührte sie an der Schulter und sagte leise: »Irina? Hast du dir wehgetan? Alles in Ordnung?« Das Kopftuch war ihr von den Haaren gerutscht. Sie lag mit dem Gesicht auf dem hässlichen Teppich und reagierte nicht. Ihr blasser Nacken wirkte verletzlich.
    Er versuchte, sie umzudrehen, unsicher, ob es richtig war, das zu tun bei jemandem, der bewusstlos war. Sie war schwer, viel schwerer, als er erwartet hatte, und leistete unbeholfen Widerstand, als wäre sie entschlossen, ihm bei seinen Manövern nicht zu helfen. Er schaffte es, sie zu drehen, und sie sackte zurück auf den Rücken. Ihre Augen standen weit offen und starrten ins Nichts. Vor Entsetzen blieb ihm das Herz kurz stehen. Er machte einen Satz, nur weg von ihr, fiel über das Ende des Betts, stieß sich das Schienbein an und verletzte sich den Fuß. Etwas stieg in seiner Brust auf, ein Schluchzer, ein Schrei, er wusste nicht, was herauskommen würde, und war überrascht, als es nur ein dummes kleines Quäken war.
    Es

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