Liebeserwachen in Virgin River
schniefend zog sie die nicht verschlossene Doppeltür auf und fand darin einen Aufsitzrasenmäher sowie weitere Gartengeräte der alten Frau. Sie wollte nichts falsch machen, schätzte aber, dass es nicht schaden könnte, mal einen Spaten zur Hand zu nehmen. Also ging sie in dem großen Garten hinter dem Haus an die Arbeit und grub in dem matschigen Beet die Erde um. Jillian wusste, dass die Frau, die hier gewohnt hatte, im Alter von sechsundachtzig Jahren gestorben war. Dennoch hatte sie eine kleine Farm bewirtschaftet, und das wiederum war ganz wie ihre Nana.
Als sie und Kelly noch klein waren, hatte Nana sie im Garten und in der Küche mithelfen lassen. Und obwohl sie selbst keine großartige Schulbildung genossen hatte, war es Nana gewesen, die ihnen das Lesen beibrachte, damit sie ihrer behinderten Mutter abwechselnd vorlesen konnten. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie offiziell auszogen, hatten sie immer ihre Aufgaben in Garten, Küche und Haushalt gehabt. In ihrer Kindheit hatten sie hart arbeiten müssen, doch das war sogar gut gewesen und hatte sie wahrscheinlich darauf vorbereitet, harte Arbeit niemals zu scheuen. Nana hatte immer gesagt: „Gott segnet mich mit Arbeit.“ Und damit war Nana wahrhaft gesegnet! Sie wusch und bügelte für andere, verkaufte ihr eingemachtes Gemüse, ihre Chutneys und ihre Soßen, und sie half ihren Nachbarn. Für sich und die beiden Mädchen, die ihren Vater verloren hatten, erhielt sie ein wenig Geld aus der Sozialversicherung. Trotzdem schufteten sie alle bis zum Umfallen und kamen dennoch kaum über die Runden.
Es fehlte Jillian an Arbeit und Liebe, und das machte ihrem Herzen zu schaffen. Weinend grub sie den Garten um, ignorierte die Tränen und wurde immer schmutziger. Wenn sie es mal nicht schaffte, mit dem Spaten ein Unkraut auszubuddeln, kniete sie sich hin und zog es mit den Händen heraus.
Im Schuppen hatte sie Samen und Blumenzwiebeln gesehen, und wenn man all das frische Grün betrachtete, war es offenbar höchste Zeit, sie einzusetzen. Etwa drei Stunden nach ihrem Eintreffen hatte Jillian ein großes Stück des riesigen Gartens umgepflügt – gejätet, umgegraben und sogar ein paar der alten Knollen unbekannter Sorte, die in der Scheune lagerten, in den Boden gepflanzt. Instinktiv kniete sie sich hin und nahm etwas Erde in die Hände, um daran zu riechen. Ihre Nase war zwar ein wenig verstopft, doch Chemikalien konnte sie keine ausmachen. Auch im Schuppen hatte sie keine Pestizide entdeckt; daher nahm sie an, dass die alte Frau alles ökologisch angebaut hatte. Sie fuhr fort zu graben und zu jäten. Und die ganze Zeit weinte sie leise vor sich hin, stille, schmerzvolle Tränen, die jedoch eine reinigende Wirkung zu haben schienen.
„Ähm, Verzeihung“, hörte sie eine Männerstimme hinter sich.
Sie hockte auf den Knien und hatte die Arme bis zum Ellbogen mit Matsch beschmiert. Schwer atmend wischte sie sich ungeduldig die Tränen von den Wangen. Als sie hochschaute, sah sie einen sehr großen Mann vor sich, der ihr ein wenig bekannt vorkam, allerdings konnte sie ihn nicht einordnen.
„Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich.
„Hm, ja. Ich hatte nur gerade, ähm, an den Garten meiner Urgroßmutter denken müssen und … also, ich schätze, ich bin hier ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen.“ Sie erhob sich und rieb an ihren Knien herum, aber dadurch verteilte sie den Schmutz nur noch mehr.
Er lächelte sie an. „Das muss ja ein fantastischer Garten gewesen sein. Hope ist jeden Sommer wie eine Wilde hier durch den Garten gewirbelt. Die meisten ihrer Erzeugnisse hat sie verschenkt, und ständig hat sie sich über die wilden Tiere aufgeregt, die ihr das Leben schwer machten. Aber so, wie sie sich da hineingestürzt hat, muss sie die Gartenarbeit geliebt haben.“ Er legte den Kopf zur Seite. „Sie vermissen Ihre Großmutter, nicht wahr?“
„Hm?“
„Also nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber Sie scheinen geweint zu haben. Oder so etwas.“
„Oh!“ Noch einmal glitt sie mit dem Handrücken über die Augen. „Ja, ich vermisse sie!“
„Mit Ihren schmutzigen Händen hilft Ihnen das nicht weiter“, meinte er und holte ein Taschentuch hervor. „Hier. Kommen Sie doch mal raus aus dem Schlamm. Und putzen Sie sich das Gesicht, bevor der Schmutz noch in Ihre Augen gerät.“
Sie schniefte und griff nach dem weißen Taschentuch. „Gehört das Haus jetzt Ihnen?“, fragte sie und säuberte sich das Gesicht. Staunend bemerkte sie, wie viel
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