Liebeserwachen in Virgin River
es war nicht viel Arbeit, sie fertigzustellen“, erklärte Paul. Hier waren die Schlafzimmer um Fenstersitze in den beiden Türmen erweitert worden. Und von dort aus führte eine metallene Wendeltreppe aufs Dach und weiter hinauf auf eine erhöhte Plattform mit Balustrade, dem sogenannten „Witwen-Ausguck“. Auf diesen Witwen-Ausguck gelangte man durch eine Tür, die leicht zu öffnen war und nicht abgeschlossen wurde. Es war eine große Plattform, etwa vier Meter lang, jedoch nur halb so breit.
„Ein Witwen-Ausguck im Wald?“, fragte Jillian. „Wurden die nicht für Seefahrerfrauen gebaut, damit sie von dort aus auf dem Meer nach ihren Männern Ausschau halten konnten?“
„Ich weiß nicht, wo Hopes Mann, der alte Percival, herkam. Aber ich würde wetten, dass dort das Meer nicht weit entfernt war. Das ist das Haus eines Seekapitäns, komplett mit Witwen-Ausguck. Und die Aussicht von hier ist umwerfend.“
In der Tat, Jillian konnte über die Baumspitzen hinweg das ganze Tal überblicken, vor ihr erstreckten sich die Weinberge. In weiter Ferne war im Westen ein Nebel zu erkennen, der wahrscheinlich aus dem Meer aufstieg; von der anderen Seite des Hauses aus sah sie zwei Farmen, mehrere Straßen und einen Teil von Virgin River. „Wie viel von diesem ganzen Land hat sie eigentlich einmal besessen?“, fragte sie.
„Der meiste Grund und Boden im Ort hat einmal Percival gehört, doch nach seinem Tod hat Hope fast alles verkauft und nur etwa vier Hektar noch behalten“, antwortete Jack. „Sie hat erzählt, dass sie in jüngeren Jahren ein paar Gemüsefelder hatte, die so groß waren, dass sie sich mit Fug und Recht als Farmerin bezeichnen konnte. Als ich hierherzog, war Hope bereits über achtzig, trotzdem hat sie das große Beet hinter dem Haus immer selbst bestellt.“
Jillian schaute nach unten, wo sie die große Fläche hinter dem Haus betrachtete, die fast komplett von dem Gemüsegarten eingenommen wurde. Am Rand verlief ein dichtes Waldstück, das teilweise aus Pinien bestand, aber auch aus Fichten, Hemlocktannen, Ahorn und Zedern sowie aus vielen dicken Büschen und Farnen. Dieser lange, dichte Baumbestand trennte den Garten hinter dem Haus von einer weiteren großen Wiese, die leicht in einen zweiten riesigen Garten zu verwandeln wäre. Aber es gab keinen erkennbaren Zugang dorthin, außer durch die Bäume. Ein Pfad oder Weg schien jedoch nicht zu existieren.
„Wie kommt man denn dorthin?“, wollte Jillian wissen und zeigte Jack, was sie meinte. „Die große Wiese dort hinter den Bäumen?“
„Da müssen Sie einen großen Umweg durch den Ort und an den Farmen und Weinbergen vorbei auf sich nehmen. Hope hat irgendwann beschlossen, sich um diesen zweiten Garten nicht mehr zu kümmern und die Bäume und Büsche die Zufahrt zuwachsen lassen. Diese Bäume sind an die dreißig Jahre alt. Ich schätze, Hope wird wohl geplant haben, diese hintere Wiese zu veräußern, konnte sich dann aber entweder doch nicht davon trennen oder keinen Käufer finden.“
„Man kann es sich kaum vorstellen. In dem Haus ist genug Platz, um ein Bed and Breakfast zu eröffnen, eine Wohngemeinschaft zu beherbergen oder auch eine Großfamilie. Stattdessen lebt hier eine einzige kleine alte Lady ganz allein.“
„Und das fünfzig Jahre lang. Percival hat sich ein sechzehn Jahre altes Mädchen zur Frau erkoren, als er schon beinahe fünfzig war. Ich wette, er hat sich Hoffnungen auf viele Kinder gemacht.“
„Ob sie sich wohl geliebt haben?“, fragte Jillian versonnen, während sie die Treppe wieder hinunterstiegen.
„Soweit ich im Bilde bin, waren sie bis zu seinem Tod zusammengeblieben, allerdings kann niemand viel über sie sagen, zumindest nicht über ihr Privatleben. In der ganzen Umgebung kann sich kein Mensch an Percival McCrea erinnern, und das, obwohl er durchaus so was wie der Ortsgründer war. Ursprünglich war er hier der einzige Landbesitzer, und wenn er nicht alles seiner Witwe vermacht hätte, die es nach und nach Freunden und Nachbarn überlassen hätte, gäbe es heute kein Virgin River.“
Irgendetwas war merkwürdig an diesem Haus, und Jillian konnte nicht genau benennen, was es war, bis sie sie geräumige Küche betrat. Dort erkannte sie, dass nicht nur die Geräte fehlten, es gab nicht einmal das Installationszubehör! Laut holte sie Luft und stellte fest: „Sie lassen die Haustür also nicht deshalb unverschlossen, da es hier in der Gegend so sicher ist, sondern weil es gar nichts zu stehlen
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