Liebeserwachen in Virgin River
gefällig? Wenn du nicht willst, dass Luke hier reinplatzt, solltest du es vielleicht mal mit den Türschlössern versuchen.“
Er legte sein Malwerkzeug beiseite. Sie war so ein hübsches kleines Ding in ihren Stiefeln und Jeans, der Wildlederjacke, und mit den Haaren, die ihr bis zum Po reichten. Sie war zwar siebenundzwanzig, sah jedoch sogar noch jünger aus. „Fürchtest du nicht, dass es zu einem der berüchtigten Riordan-Gebrülle kommt?“, fragte er sie.
„Das würdet ihr nicht wagen. Die Männer in eurer Familie mögen ja viele Fehler haben, doch in Gegenwart von Frauen verhalten sie sich immer zivilisiert. Lass uns reden. Das muss ein Ende haben.“
„Shelby, Luke hat keinerlei Grund, mich so anzugehen. Ich nehme überhaupt keine Medikamente mehr, gleich welcher Art. Ich habe mir lediglich ein paar Bier erlaubt, und das im Abstand von einigen Wochen …“
„Das Bier meine ich nicht und ist mir auch egal. Worüber ich sprechen will, ist der Konflikt zwischen dir und Luke. Er behauptet, dass er keine Ahnung hat, wie das Ganze angefangen hat, aber das ist auch unwichtig. Er ist dein Bruder, und er sorgt sich um dich. Irgendwie müsst ihr beide das mal auf die Reihe kriegen. Es kann nichts so Triftiges sein, weshalb auch noch der Rest der Familie auseinandergerissen werden sollte, egal, was es ist.“
„Der Rest der Familie hat gelernt, damit zu leben, als wir acht und zehn Jahre alt waren.“
„Ich nicht“, erwiderte sie. „Brett auch nicht.“
Einen Moment schwieg er fassungslos und empfand kurz so etwas wie Scham. „Ach, Shelby …“
„Ich kann verstehen, wie sehr es dich nerven muss, ständig das Gefühl zu haben, unter Beobachtung zu stehen. Wenn wir dich nicht beinahe verloren hätten, wäre Luke wahrscheinlich etwas lockerer drauf …“
„Das möchte ich bezweifeln. Er neigt dazu, alles bestimmen zu wollen. Ihm macht das Spaß. Mir weniger.“
„Du bedeutest ihm viel und er sorgt sich um dich“, wiederholte Shelby.
„Er ist ein Kontrollfreak.“
„Das stimmt auch wieder. Und du genauso, sonst würdest du dich nicht jedes Mal, wenn er seine Besorgnis zeigt, mit ihm anlegen.“
Plötzlich unsicher geworden, sank Colin auf den nächstbesten Stuhl und ließ den Kopf hängen. Als er ihn wieder hob, wirkten seine Augen traurig. „Bitte“, forderte er Shelby auf, „setz dich doch.“
Sie nahm den Stuhl, der seinem am nächsten stand, legte die Hände auf die Knie und beugte sich zu ihm.
Tief holte Colin Luft. „Man hat mich gewarnt, dass Suchtverlagerung ein Problem sein kann. Monatelang habe ich nicht einmal eine Mundspülung benutzt, in der auch nur ein mikroskopisch kleiner Anteil von Alkohol enthalten war. Ich war nie ein großer Trinker. Klar, es ist vorgekommen, dass ich es auch mal übertrieben habe, wenn ich mit meinen Kumpeln unterwegs war, aber unverantwortlich war ich nie. Kein Vorfall von Fahren unter Einfluss von Alkohol, keine Kneipenschlägereien, nichts dergleichen. Ich glaube nicht, dass ein Bier im Monat oder in der Woche ein Problem für mich sein wird. Trotzdem – in dieser Hütte gibt es keinerlei alkoholische Getränke. Nur zu“, forderte er sie auf. „Schau nach.“
„Das werde ich nicht tun.“
„In meinem ganzen Leben hatte ich nie ein Drogen- oder Alkoholproblem, aber nachdem ich wegen des Unfalls einen Monat lang Oxycontin geschluckt hatte, sah die Sache anders aus. Das ist ein starkes Zeug, und ich hatte große Schmerzen. Ich denke, ich wäre vielleicht nie mit der Sucht konfrontiert worden, wenn ich nach ein oder zwei Wochen auf ein Medikament ohne narkotische Wirkung umgestiegen wäre, doch das kann ich erst jetzt rückblickend sagen. Heute muss ich mit dem Wissen leben, dass ich versucht habe, es auf der Straße zu kaufen, weil mich der Gedanke in Panik versetzt hat, ich könnte auf einmal nichts mehr haben. So denkt ein Süchtiger. Und glaube mir, ich bin gewarnt.“
„Warum kannst du mit Luke nicht einfach darüber reden?“
„Das ist kompliziert und fängt schon mal damit an, dass Luke nie zuhört. Er schafft es einfach nicht, sich nur um seinen eigenen verdammten Mist zu kümmern, und ist richtig voreingenommen. Wie das so ist, wenn man alles weiß. Abgesehen davon habe ich größere Probleme. Ich versuche wie verrückt, mir eine Art Leben aufzubauen! Das hier ist nicht das, was ich mir vorgestellt hatte.“
„Colin, die Bilder“, mit einer ausholenden Handbewegung deutete sie auf all die fast fertigen Gemälde im Raum, die
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