Liebeserwachen in Virgin River
trotzdem.“
„Denny, mit zwanzig war ich mal ein paar Monate in Pendleton. Ich weiß noch, dass ich mich eine Weile mit einem Mädchen namens Ginger getroffen hatte, allerdings war ich voll mit dem Corps beschäftigt, und Ginger hatte mich abserviert, weil ich einfach keine ernsten Absichten hegte.“ Er zuckte mit den Schultern. „Mag sein, dass es außerdem noch das eine oder andere Mädchen gegeben hat, aber mir fällt keine ein, die sich in mich verliebt haben könnte …“
„Mir ist klar, was es heißt, mit zwanzig bei den Marines zu sein, Jack.“
Jack wollte den Rest des Briefes nicht lesen und schob ihn Denny über die Theke zu. „Du bist doch jetzt schon seit Monaten hier.“
„Ja. Ich habe eine Weile gebraucht, um dich kennenzulernen, dann musste ich mich vergewissern, dass ich dein Leben nicht belaste, wenn ich dir die Wahrheit sage, und dann … Dann kam die Zeit, in der ich meinen ganzen Mut zusammennehmen musste. Schließlich ist es nicht mehr rückgängig zu machen, wenn es einmal heraus ist. Verstehst du?“
Jack griff nach seinem Whisky und stürzte ihn in einem Zug runter. Mit dem Glas in der Hand wies er auf Dennys Drink. „Trink mal lieber, Junge.“
Denny hob zwar sein Glas, zögerte jedoch. „Hör mal, ich kann verstehen, wenn das nicht gerade der glücklichste Tag deines Lebens ist.“
Jacks Miene verfinsterte sich. „Trink“, wiederholte er. Nachdem Denny sein Glas anschließend abgestellt hatte, fuhr er fort: „Jeder Mann muss einfach stolz sein, dich als Sohn zu haben. Jeder, mich eingeschlossen. Ich habe nur wirklich gerade ein Problem mit den Tatsachen. Wenn ich mir vorstelle, was für ein Mann ich damals war! Einer Frau so viel Angst einzujagen, dass sie es nicht wagt, mir mitzuteilen, dass sie schwanger ist. Weil man mich ja mit der Verantwortung nicht belasten kann. Und es macht mich einfach völlig fertig, wenn ich daran denke, dass ich eine Beziehung hatte, aus der ein Sohn hervorgegangen ist, und … Und ich kann mich nicht mal an sie erinnern!“
Jack beugte sich über den Tresen. „Unfälle passieren immer wieder, Denny, aber ich muss ehrlich mit dir sein. Ich war vorsichtig. Nicht vorsichtig auf die dumme Art. Ich habe immer Kondome benutzt. Als du mit deiner Mutter gesprochen hast, hat sie da irgendwas davon gesagt, dass wir wussten , dass es ein Problem gegeben hatte? Dass es gerissen war oder so etwas?“
„Darüber konnte ich mit ihr nicht reden, Jack. Sie war meine Mutter. Und sie war krank.“
Jack spürte, wie sich ihm die Brust zusammenschnürte. Da stand er und dachte nur an sich selbst, während dieser Junge entdeckt hatte, dass sein Vater nicht der eine Mann war, sondern ein anderer … und das, während seine Mutter im Sterben lag! Und ihn beschäftigte die Frage, ob ein Kondom ein Loch gehabt haben könnte. „Welche Art Krebs war es, Denny?“
„Brustkrebs, der gestreut hat. Sie war noch zu jung, deshalb wurde sie nicht regelmäßig darauf untersucht und medizinisch gut behandelt. Es war ein aggressiver Krebs. Fünf Jahre haben wir versucht ihn zu bekämpfen, aber jedes Mal trat er woanders wieder auf, dann wieder Chemo, dann ein paar gute Monate, die vielversprechend wirkten, dann … letztendlich kam sie nicht dagegen an. Und sie wollte, dass ich die Wahrheit erfuhr, bevor sie starb.“ Denny schluckte. „Wir müssen das niemandem erzählen, Jack.“
Jack schüttelte nur den Kopf. „Darum geht es mir nicht, Denny. Es geht nicht darum, das geheim zu halten …“ Wieder schüttelte er den Kopf. „Es gibt da ein paar Wahrheiten über mich, Junge … und dazu gehört, dass mir nie eine Frau begegnet war, bei der ich in Versuchung gewesen wäre, sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen, bis ich Mel kennenlernte. Allerdings ist mir nie in den Sinn gekommen, dass ich grausam bin. Vielleicht habe ich mich da ja einfach belogen. Schließlich muss es einen Grund gegeben haben, weshalb deine Mom den Mut nicht aufgebracht hat, nach mir zu suchen und mir von dir zu erzählen …“
„Dafür gab es viele Gründe“, erklärte Denny. „Sie hat dir nie einen Vorwurf gemacht. Aber sie war mit einem Mann zusammen, der mich für seinen Sohn hielt, und der war nicht nett. Er hat sie nicht einmal geheiratet. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Mutter jemals etwas Schlechtes oder Falsches getan hätte, doch er hat sie ständig geschlagen. Sie hatte viel zu große Angst vor ihm, um mit der Wahrheit herauszurücken, sich von ihm zu
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