Liebesfilmriss
hielt den Blick auf die Straße gerichtet. »Im Moment sollten wir uns darauf konzentrieren, Laurel zu finden.«
Sie fanden sie nicht. Aus den vier Stunden, die sie vermisst wurde, wurden fünf und aus den fünf sechs. Niemand hatte Laurel gesehen. Sie war weder in der Apotheke gewesen, um ihre Tabletten zu holen, noch war sie auf den Klippen oder am Strand gesehen worden.
»Tja, das sind doch gute Neuigkeiten.« Carla versuchte, Ginny aufzuheitern. »Wenigstens hat man keine Leiche aus dem Meer gezogen.«
Aber das war kein Trost. Laurel war immer noch verschwunden und befand sich bestimmt in einem äußerst verletzlichen Zustand. Ginny hatte einen Zettel mit der Bitte hinterlassen, sie auf dem Handy anzurufen, sobald sie wieder zu Hause war. Trotzdem wählte sie nun schon zum hundertsten Mal die Festnetznummer und ließ es im leeren Haus klingeln. Es war entsetzlich selbstsüchtig, und sie schämte sich, das auch nur zu denken, aber falls Laurel tot war und die Polizei las, was sie in ihr Tagebuch notiert hatte, würde sie dann eine Teilschuld an der Tragödie bekommen und womöglich wegen fahrlässiger Tötung angeklagt?
»Musst du aufs Klo?«
Ginny merkte, dass sie die Hand auf den Bauch gepresst hatte. Abrupt verbannte sie das innere Bild, wie sie ihr Kind im Gefängnis bekam – in Handschellen und ohne Schmerzmittel –, und rasch zog sie die Hand weg. »Nein, alles in Ordnung.«
»Wohin als Nächstes?«
»Sadlers Cove. Da haben wir es noch nicht versucht.«
»Also schön«, verkündete Carla eine Stunde später, »jetzt reicht es. Ich könnte noch länger weitermachen, aber nicht in diesen Schuhen.«
Ihre ehedem makellosen, schwarzen Stöckelschuhe waren angeschmutzt und verkratzt, weil sie den schmalen Steinweg zu Sadlers Cove hinabgestiegen waren. Wolken hatten die Sonne verdunkelt und alle Strandbesucher waren schon auf dem Heimweg gewesen.
Ganz leer vor Angst kam Ginny der Gedanke, dass sie bei ihrer Ankunft zu Hause auf ernst blickende Polizisten stoßen könnten, die ihnen die schlimmstmöglichste Nachricht nahebrachten.
Aber als sie zu guter Letzt zu Hause eintrafen, stand kein Streifenwagen vor der Tür. Stattdessen starrte Ginny verblüfft auf den verbeulten, grünen Lieferwagen hinter ihrem eigenen Auto. »Der gehört Dan.«
Carla hob eine Augenbraue. »Dein neuer Freund?«
»Nein, Dan the Van, unser Lieferant. Er beliefert das Restaurant. Was macht er hier?« Schon als sie aus Carlas Wagen stieg, sah Ginny, dass der Lieferwagen leer war. Wie bizarr. Besuchte Dan hier einen der Nachbarn?
»Oh, hast du mir jetzt aber einen Schrecken eingejagt!« Laurel fasste sich an die knochige Brust, als Ginny die Küchentür aufriss. »Was ist denn los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
Mit weitaufgerissenen Augen und keuchend erfasste Ginny die Szene. Laurel und Dan saßen gemütlich am Küchentisch, tranken Tee und bedienten sich an dem Rührkuchen mit Orange, den Laurel am Vortag gebacken hatte. Dan wischte sich schuldbewusst wie ein kleiner Junge die Krümel aus dem Bart und versuchte aufzustehen.
»Setzen Sie sich!«, bellte Ginny, woraufhin er rasch wieder Platz nahm. »Was machen Sie hier?« Dann drehte sie sich zu Laurel. »Wo zum Teufel bist du gewesen?«
Laurel wirkte besorgt. »Ich war aus. Warum?« Als sie Carla in der Tür auftauchen sah, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. »Was macht
die
denn hier?«
»Tut mir leid.« Dan war sichtlich entsetzt. »Ich sollte besser geh-«
»Nein!«, riefen Ginny und Laurel gleichzeitig.
»Ich sage Ihnen, was ich hier tue.« Carla trat mit funkelnden Augen in die Küche. »Ich habe Ginny geholfen, nach Ihnen Ausschau zu halten. Oder, genauer gesagt, nach Ihrer Leiche. O ja«, fuhr sie fort, während Laurel bleich wurde, »wir haben einen Großteil des Tages damit zugebracht, auf der Suche nach Ihrem Leichnam über Klippen und Strände zu ziehen. Dabei habe ich mir meine Schuhe ruiniert. Wir haben die Polizei angerufen und mit der Seenotrettung geredet, und ich musste drei wichtige Termine mit Kunden stornieren. Gott allein weiß, wie viel Geld mich das gekostet hat. Es ist wirklich schade, dass Sie nie Lesen gelernt haben!« Sie hob den Zettel vom Tisch, den Ginny hinterlassen hatte, und fuchtelte damit vor Laurels entsetztem Gesicht herum. »Ginny war außer sich vor Sorge und Sie hätten weiter nichts zu tun brauchen, als sie anzurufen und ihr zu sagen, dass SIE NICHT TOT SIND! !«
Ginny fuhr sich mit den Fingern
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