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Liebesfilmriss

Liebesfilmriss

Titel: Liebesfilmriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Mansell
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Gucci, ein alter, marineblauer Lambswoolpulli in einer Männergröße mit Löchern in beiden Ellbogen und ein in hellgraues Leder gebundenes Tagebuch.
    Ginny schluckte. Sollte sie? Sollte sie nicht? Sie hatte schon einmal einen Blick in das Tagebuch eines anderen Menschen riskiert, und es war keine schöne Erfahrung gewesen: »Mum glaubt, sie sei eine gute Tänzerin, aber in Wirklichkeit ist sie nur peinlich. Beim Weihnachtstanz in der Schule haben all meine Freundinnen über sie gelacht.« Gefolgt von: »Ich wünschte, Mum würde richtige Namensetiketten in meine Schuluniform nähen. Ich bin die Einzige, deren Name mit Filzstift in ihren Sachen steht. Mrs Hegarty (ich hasse sie) war total höhnisch und hat gefragt, ob meine Mutter nicht wüsste, wie man näht?«
    Angesichts der Erinnerung wallte Scham in Ginny auf.
    Da sie an diesem Morgen Laurel gegenüber die Beherrschung verloren hatte, war nichts Positives über sie zu erwarten. Eher schon: »Ginny Holland ist eine eiskalte, selbstsüchtige, vom Geld besessene Zicke, die niemals die Fußbodenleisten abstaubt und auch ihre Unterwäsche nicht bügelt.«
    Wie auch immer, es war Laurels Tagebuch, und sie sollte nicht darin lesen. Ginny ging zum Fenster und schaute hinaus. Nichts würde sie mehr erleichtern, als Laurel jetzt auf dem Heimweg zu sehen. Dann könnte sie das Tagebuch wieder in die Schublade legen und müsste die negativen Bemerkungen über sich nicht lesen.
    Aber die Straße war leer. Weit und breit nichts von Laurel in ihrem langen Kleid und der ausgeleierten Stickjacke zu sehen.
    Sie war jetzt schon über drei Stunden fort. Ohne Handtasche.
    Ginny fühlte sich zunehmend nervös. Sie schlug das Tagebuch auf, blätterte ein paar dicht an dicht beschriebene Seiten durch, bis sie zum jüngsten Eintrag kam.
    Dicke Tränenkleckse verschmierten das Papier. Laurel hatte folgendes geschrieben:
    Kevin hat mir die Uhr zurückgeschickt. Mit einer Notiz, in der er mich bittet, keinen Kontakt mehr zu ihm aufzunehmen. Ginny hat herausgefunden, dass die Miete nicht überwiesen wurde, und bekam einen Wutanfall. Ich weiß, sie will mich nicht mehr bei sich haben. Sie sagt, wenn ich mir keine Arbeit suche, muss ich ausziehen, aber wie soll ich eine Arbeit finden, wenn ich mich so furchtbar fühle? Sie versteht mich nicht. Keiner versteht mich.
    Es ist sinnlos. Ich kann so nicht weitermachen. Ich hasse den Menschen, zu dem ich geworden bin. Ich weiß, was ich zu tun habe, und jetzt ist der Moment dafür gekommen.
    Lebwohl, Kevin, ich liebe dich so sehr. Genieße dein Leben. Und mach dir keine Sorgen, ich werde dir nicht mehr lästig fallen.

49. Kapitel
    Ginny sank zitternd auf das perfekt gemachte Bett. Ihr Mund war so trocken, dass sie nicht schlucken konnte, und in ihren Ohren rauschte es laut. O Gott, das war viel schlimmer, als sie gedacht hatte. Die Tränen auf dem Papier waren getrocknet; Laurel hatte diese Worte vor über drei Stunden geschrieben, bevor sie das Haus mit leeren Händen verlassen hatte.
    Ihr Herz pochte gegen den Brustkasten. Ginny las den Tagebucheintrag erneut. Laurels Absicht war unverkennbar. Möglicherweise war sie schon tot, trieb im Meer oder lag mit zerschmettertem Körper zu Füßen der Klippen. Oder sie war wirklich in die Apotheke gegangen, um ihre Antidepressiva abzuholen, und schluckte nun wild entschlossen die ganze Pillenflasche, eine Tablette nach der anderen …
    Mein Gott, wie hatte sie jemand anschreien können, dem Antidepressiva verschrieben worden waren? Gesprächsfetzen tauchten anschuldigend vor ihrem inneren Ohr auf.
    Hör auf, dich in Selbstmitleid zu suhlen. Bring dein Leben wieder auf die Reihe. Kevin wird nie zu dir zurückkehren. Er will dich nicht. Gehe nächstes Mal zu Marks & Spencer und kaufe ihm Socken.
    Und wie hatten Laurels letzte Worte gelautet, bevor sie traurig das Haus verlassen hatte?
    »Ich werde eine Lösung finden. Das verspreche ich.«
    Am ganzen Körper zitternd wurde Ginny klar, dass sie ihr auch gleich eine geladene Waffe hätte reichen können. Laurel war zu ihr gekommen und hatte sich Mitgefühl und Verständnis erhofft, doch stattdessen war sie von einer Hyäne im Hormonrausch angebrüllt worden.
    Ginny atmete hektisch. Sie stand auf und fühlte sich schlimmer als je zuvor. Sie wusste, was sie jetzt zu tun hatte.
     
    Njer-njer-njer-njer-njer-njer-njer-njer.
    Mach schon!
    Njer-njer-njer-njer-njer.
    Ob bitte, bitte nicht jetzt. Spring einfach an, verdammt nochmal.
    Ginny wischte sich den Schweiß

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