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Liebesgruesse aus Deutschland

Liebesgruesse aus Deutschland

Titel: Liebesgruesse aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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er ebenfalls mitgenommen. Dieser Xavier ist als Kuscheltier eigentlich in Ordnung, er hat nur einen Mangel: In regelmäßigen Abständen versucht er, sich im Ausland abzusetzen.
    Zum ersten Mal ist er uns in Portugal in einem schicken Hotel abhandengekommen. Wir waren günstig in den Winterferien mit den Kindern nach Porto geflogen, um die heranwachsende Generation über das Wunder eines richtig guten Portweins aufzuklären (rein theoretisch natürlich). Dank einer Sonderaktion des Reisebüros hatten wir uns in ein schickes Hotel eingemietet, gingen morgens in die Stadt, kamen abends zurück, und inzwischen war das Hündchen aus Sebastians Bett verschwunden. Er meinte, der Hund sei von den Putzkräften des Hotels
entführt worden. Wahrscheinlich seien in unserer Abwesenheit die Putzkräfte ins Zimmer gekommen, hätten die Bettwäsche gewechselt, sie zusammengerollt, ohne genau zu gucken, was alles darin war, und daraufhin sei Xavier in der Wäscherei des Hotels mit kochendem Wasser überschüttet und mit giftigen Desinfektionsmitteln gefoltert worden.
    »Das ganze Leben ist eine lange Kette von Verlusten, mein Junge«, versuchte ich meinen Sohn zu beruhigen. »Zuerst gehen die Kuscheltiere, dann nach und nach alle anderen, und letzten Endes geht man selbst in die himmlische Wäscherei.«
    Doch Sebastian ließ nicht locker. Wir müssten unbedingt jetzt gleich in die irdische Wäscherei gehen und das Hündchen suchen, forderte er. Zum Glück war der Manager des Hotels ein Deutscher. »Wir werden das Hündchen retten!«, versicherte er uns. In einer beispiellosen Suchaktion wurde die gesamte schmutzige Wäsche des Hotels von den Mitarbeitern des Hotels und einigen freiwilligen Gästen nach dem Hündchen durchsucht. Ganz der Wahrscheinlichkeitstheorie entsprechend fanden wir das Kuscheltier im letzten Wäschekorb unter der letzten Decke versteckt.
    Ein Jahr später verschwand das Hündchen aus einem Bett in einer privaten Unterkunft auf Ibiza. Wir gingen davon aus, dass das Hündchen wieder mit der Wäsche von der Putzkraft eingesackt und in die Wäscherei gebracht worden war. Diesmal war die Suche jedoch erheblich schwieriger, weil es sich um eine Wäscherei von außerhalb
handelte, die täglich tonnenweise Wäsche von allen möglichen Unterkünften der Insel annahm. Wir wussten nicht, wo sich diese Wäscherei befand und ob sie uns dort überhaupt verstehen würden. Wir wussten nicht einmal, wie Kuscheltier auf Spanisch heißt. Zum Glück war unser Vermieter ein Deutscher. »Wir finden das Kuscheltier«, sagte er entschlossen, setzte sich auf sein Motorrad und fuhr los.
    Sebastian verbrachte eine schlaflose Nacht ohne Hündchen. Ich erzählte ihm zur Beruhigung meine Theorie der ständigen Verluste weiter. In meiner Jugend, als ich noch in einem Theater angestellt war, hatten wir zwei Arten von Requisiten – bleibende und vergängliche. Ein Klavier war zum Beispiel eine bleibende, ein belegtes Brötchen oder eine Flasche Wodka, die auf der Bühne während des Stückes zum Einsatz kamen, waren vergängliche Requisiten. Sie mussten jedes Mal neu herangeschafft werden. »Im Grunde ist das ganze Leben eine solche vergängliche Requisite«, erklärte ich meinem Sohn. »Nur dass keiner es einem wiederbeschaffen kann. Zuerst gehen einem die Kuscheltiere aus und dann der Rest.« Sebastian wollte sich trotz meiner Bemühungen nicht beruhigen. Am nächsten Tag hielt der Vermieter vor unserem Haus. Er sah müde, aber zufrieden aus. Er hatte den Hundi Xavier in der Hosentasche. Diesmal hatten die Spanier es jedoch geschafft, Xavier zu waschen. Er hatte sich in eine Blondine verwandelt, und seine braunen Augen waren nun blau.
    Wir wunderten uns überhaupt nicht, als Xavier zum dritten Mal verschwand, diesmal im Hotel Conrad in Singapur. Es war genauso mysteriös wie die vorigen Male.
Das Kuscheltier verschwand aus dem Bett und zwar am letzten Tag vor der Abreise. Das Hotel war riesengroß, für Suchaktionen hatten wir keine Zeit mehr, wir mussten nach Deutschland zurück. Zum Glück war der Manager des Hotels ein Deutscher. Er versprach, das Hündchen zu finden und es uns per Post nachzuschicken. Auf dem Weg zur Flughafen erklärte ich Sebastian, dass das Leben eigentlich nur aus Verschwendungen bestehe und selbst eine Verschwendung sei. Man müsse lernen, sich leicht von allem zu trennen, was einem lieb und teuer sei, sich selbst inklusive. »Man muss jede Hoffnung fahren lassen und niemals über das trauern, was nicht mehr ist«,

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