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Liebesgruesse aus Deutschland

Liebesgruesse aus Deutschland

Titel: Liebesgruesse aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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sondern für das kleine Vergnügen ins Land geholt und nicht rechtzeitig zurücktransportiert. Inzwischen muss sich Deutschland nach allen Seiten hin der Ausländer erwehren. Vom Westen aus sickern »Islamisten«, »Hassprediger« und »Schläfer« ein, von Osten drängen »Huren«, »Kriminelle« und »Schleuserbanden« zu Tausenden ins Land. Die Polen werden als »Autodiebe« eingeschätzt, die Vietnamesen als »Zigarettenmafia«, und die Afrikaner versorgen die »Drogenszene«.
    Die statistischen Untersuchungen machen deutlich, wie die Ausländer Deutschland untereinander aufgeteilt haben. Jede Gruppe hat laut Nationalatlas ein eigenes spezifisches Ansiedlungsmuster entwickelt. Die Briten und
Franzosen bevorzugen als Siedlungsräume ihre ehemaligen Besatzungsgebiete, dort fühlen sie sich noch immer wohl. Die Niederländer lassen sich in der Nähe der holländischen Grenze nieder. Der Inder mag Frankfurt am Main, den Russen zieht es nach Frankfurt an der Oder. Die Italiener sonnen sich hauptsächlich im Süden der BRD, während die Türken und die Griechen sich bevorzugt an Rhein und Ruhr ansiedeln. Die Vietnamesen und Kubaner stellen den größten Ausländeranteil in den neuen Bundesländern.
    Inzwischen schottet sich Deutschland, so weit es nur geht, ab. In den weißrussischen Konsulaten wird als Grund für die Visumabsage »Bekämpfung der Prostitution« angegeben, in der Ukraine »Bekämpfung der Kriminalität«. In Vietnam sagen sie wahrscheinlich »Wir sind ein Nichtraucherland«, wenn jemand ein Besuchsvisum nach Deutschland beantragt. Diese pragmatische Haltung ist jedoch wenig erfolgreich. Die Ausländer kommen nun aus Trotz. Nur einmal hat man Fremde nicht aus pragmatischen Gründen ins Land gelassen: 1990 gab die untergehende DDR-Regierung einigen Tausend Juden aus der Sowjetunion eine Aufenthaltserlaubnis als symbolische Geste der Wiedergutmachung. Sie wurden nicht zum Arbeitseinsatz geholt, viele von ihnen bekamen sogar Sozialhilfe. Nach der Auflösung der DDR musste die BRD auch noch diese Zuwanderung ohne jeglichen Nutzen zähneknirschend weiter tolerieren – ein typisches Erbe einer Diktatur.
    In einer richtigen Demokratie gibt es eigentlich keinen
Platz für symbolisches Handeln. Was hat die Welt gelacht, als Nordkorea am 31. August 1998 seinen ersten Sputnik ins All schoss. Dieser Sputnik hatte keinerlei praktische Bedeutung, seine einzige Aufgabe war es, rund um die Uhr Grußbotschaften an den koreanischen Generalsekretär zu senden. Da haben sich die Pragmatiker auf die Schenkel geklopft. So ein aufwendiges und teures Projekt – für nichts und wieder nichts. Dabei hätte man mit einem solchen Satelliten so viel Geld verdienen können! Zum Beispiel verschlüsselte Softpornos ausstrahlen oder Grenzen kontrollieren. Die Koreaner fühlten sich von der Welt missverstanden und bauten daraufhin ihren Sputnik ganz pragmatisch zu einer Atombombe um.

Die deutsche Sexualproportion
    Frauen stellen in Deutschland die Mehrheit, in manchen Touristenbussen, die auf Kaffeefahrten durch Deutschland düsen, sogar eine satte hundertprozentige Mehrheit. Dabei werden Männer und Frauen in gleicher Anzahl geboren. Die Statistik der Sexualproportion ist wie keine andere vom Alter abhängig. In jungen Jahren, gleich nach Erreichen der Volljährigkeit, legen die Männer los und dominieren statistisch gesehen in so ziemlich allen Regionen des Landes, besonders aber in den neuen Bundesländern, in denen es auf hundert junge Frauen immer mindestens zwanzig junge Männer zu viel gibt. Doch wenn sie fünfundzwanzig werden, verändert sich die Sexualproportion rasant. Der Anteil der männlichen Bevölkerung reduziert sich dann drastisch bis zum fünfzigsten Lebensjahr. Ab neunundfünfzig im Westen und zweiundfünfzig im Osten wird Deutschland weitgehend von Frauen dominiert, mit Ausnahme von fünf Landkreisen, in denen die Männer auch dann noch in der Überzahl bleiben: Cloppenburg und Plön im Norden, Freising, Erding und Landsberg am Lech im Süden – das sind die deutschen Männer-WGs, die aber wenig Trost bieten.

    In den neuen Bundesländern, die so potent anfingen, verschwinden Männer schneller als Mücken im Winter. Allein mit der Auswanderung in den Westen, einer niedrigeren Lebenserwartung, Autounfällen und Geschlechtsumwandlungen lässt sich dieses Phänomen nicht erklären. Mein Freund, ein Sozialwissenschaftler, behauptete neulich, schuld daran sei die allgemeine Feminisierung der Gesellschaft, die zurzeit

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