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Liebesgruesse aus Deutschland

Liebesgruesse aus Deutschland

Titel: Liebesgruesse aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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dort ihre gebrauchten sowjetischen Fahrzeuge, Wolgas und Ladas an die Offiziere, weil sie selbst inzwischen alle gebrauchte Kadetts und Golfs fuhren, die sie von Kapitän Cook für ihre Grundstücke aufgetischt bekommen hatten. Es machte Spaß, mit den Russen Geschäfte zu machen, sie waren für alles dankbare Abnehmer. All die Ost-Autos, die in der Konkurrenz mit westlichen Modellen völlig untergingen und bei Deutschen inzwischen nur noch Ekelgefühle hervorriefen, waren bei Armeeangehörigen sehr begehrt. Gleichzeitig hatten ostdeutsche Geschäftsmänner den Russen unverzollten Wodka und Zigaretten sowie Generatoren, Benzin, Radio- und Nachtsicht-Geräte abgekauft. Je nach Waffengattung gibt es bei einer guten Armee immer etwas zu holen.
    Die angehenden ostdeutschen Geschäftsmänner hatten auf diese Weise viele interessante Menschen kennengelernt und zukunftstaugliche Geschäftsideen entwickelt. Als die
russischen Offiziere nach Abzug der sowjetischen Armee entlassen wurden, bekamen sie eine bescheidene Rente, kleine Wohnungen in einer der vielen kleinen Städte Russlands und gründeten kleine Firmen, wie es in der Zeit alle taten. Der ostdeutsche Geschäftsmann dachte, was juckt mich eigentlich der Westen? Mich, mit meinen hervorragenden Russischkenntnissen, mit meiner Kenntnis der Sitten und Bräuche in den ehemals sozialistischen Ländern ! Ich kann doch in Russland schweinereich werden. Er fuhr deswegen in die kleinen russischen Städte und besuchte seine ehemaligen Geschäftspartner, die sich natürlich riesig freuten. Hallo, Reiner, sagten die Russen, wie gut, dass du hier bist! Wir haben gerade eine ganz tolle Geschäftsidee!
    In der Regel wurden diese Geschäfte alle auf die gleiche Art abgewickelt: Der Deutsche kaufte dem Russen irgendetwas Exotisches ab, mit der Absicht, es später in Westdeutschland für teures Geld zu verkaufen. In der Regel endeten diese Geschäfte im Nichts, weil dieses Etwas entweder nicht durch den Zoll kam oder sich als etwas ganz anderes entpuppte oder unterwegs abgehauen oder explodiert war. Der ostdeutsche Geschäftsmann war um sein Geld gebracht, im schlimmsten Fall landete er in einem russischen Knast und harrte dort aus, bis der westdeutsche Botschafter kam. Doch der Adventure-Kapitalist in ihm gab nicht so einfach auf. Im Knast knüpfte er neue Kontakte, lernte noch interessantere Menschen kennen und entwickelte dabei sogleich vielversprechende neue Geschäftsideen.

    Mit der Zeit lernte der Deutsche, Geschäfte mit den Russen zu machen, ohne seine Heimat zu verlassen. Ich erinnere mich an einen herausragenden Fall, an dem ich Mitte der Neunzigerjahre als Dolmetscher beteiligt war. Ein deutscher Händler aus Halle hatte seinem weißrussischen Kollegen aus Gomel eine Ladung Buntmetall in Form von zehn Kilometern altem Telefonkabel abgekauft, um es später an einen westdeutschen Metallkonzern weiterzuverkaufen. Das Geld wurde überwiesen, der Vertrag unterschrieben, und die erste Teillieferung kam in Frankfurt /Oder an. Danach ging der russische Partner allerdings nicht mehr ans Telefon. Der Ostdeutsche machte sich Sorgen : Vielleicht war der Russe in Not? Mit großer Mühe fanden wir schließlich heraus, dass mit dem Kollegen alles in Ordnung war. Er hatte eben nur das Telefonkabel seiner Heimatstadt mit den Baggern seiner Baufirma ausgegraben, nach Deutschland verkauft und konnte deswegen nicht mehr telefonieren.
    An solchen Pannen scheiterten letztendlich die geschäftlichen Beziehungen der deutschen Adventure-Kapitalisten zu den ehemaligen sozialistischen Ländern. Heute wird der Handel fast hauptsächlich von halbstaatlichen Großkonzernen betrieben. Der Chef von Gazprom sagte es einmal so: »Bei uns in Russland kann man nicht einfach alles privatisieren, sonst ist es am Ende wie bei einem Kartenspiel: Die Spieler sind weg – und die Karten auch!« Nur ganz wenige rücksichtslose russische Kleinhändler versuchen, diese Mauer immer wieder zu durchbrechen. In der Regel versuchen sie, ihre westlichen Nachbarn mit
seltener Ware zu beeindrucken. Mal bringen sie ein paar Dutzend handgemachte Holzpuppen mit, mal eine große Büchse Kaviar, gelegentlich schleppen sie auch angereichertes Plutonium oder andere seltene Elemente, die es nach westlichen Tabellen gar nicht gibt, über die Grenze. Doch wer interessiert sich schon für Plutonium? Nur Menschen mit viel Geld und Phantasie, es gibt hier aber nicht viele von dieser Sorte. Die Russen bleiben jedoch optimistisch und

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