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Liebesgruesse aus Deutschland

Liebesgruesse aus Deutschland

Titel: Liebesgruesse aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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Hand des Kollegen in der siebten. Sie halten sich in dieser schwierigen Situation aneinander fest. In der Regel schaffen sie es gerade mal bis zur Hälfte, denn die Jogger laufen, wie gesagt, im Kreis und sind schnell wieder da. Die Ineffizienten wissen nicht, was tun. Sie stehen den rennenden Massen von neuen Menschen im Weg und überlegen, ob sie sich zurückziehen oder doch vorwärtswagen sollen? Für alle Fälle bleiben sie auf der Bahn erst einmal stehen, wodurch die Jogger ins Stocken geraten und die ganze Geschichte der menschlichen Entwicklung auf einmal für kurze Zeit stillsteht. Doch schnell klärt sich die Lage. Die Effizienten laufen weiter, die Ineffizienten flüchten sich zu ihrem Werkzeughäuschen und versteinern dort unter dem Dach.
    Es sind Menschen, die meinen Moskauer Nachbarn aus der sozialistischen Vergangenheit erstaunlich ähneln, denjenigen, die sich damals mit Beginn des Frühlings zum
Subbotnik auf dem Hof versammelten. Ich könnte wetten, es sind dieselben: die mollige Frau mit dem großen Hut, die junge alleinerziehende Mutter, der komische Mann mit der dicken Brille, der lebenslänglich Krankgeschriebene aus dem ersten Stock und der kleine Alte, der das ganze Jahr über eine halb volle Bierflasche vor dem Bauch hält.

Prinz Charles
    Vor einiger Zeit erhielt ich eine Einladung ins Schloss des Bundespräsidenten, um mit dem Prinzen von Wales und der Herzogin von Cornwall zu Mittag zu essen. Das war für mich ein neues Pflaster, bis dahin kannte ich Prinzen nur aus sowjetischen Zeichentrickfilmen, unter denen es viele Märchenverfilmungen gab. Prinzen glichen damals in meiner Phantasie den Weihnachtsmännern, an die ich schon lange nicht mehr glaubte. Mit einem echten Prinzen an einem Tisch zu sitzen, das war für mich wie den echten Weihnachtsmann am Bart zupfen – als wäre ich in einem Zeichentrickfilm gelandet.
    Meine Frau war von der Einladung mehr als begeistert. Wie so viele Frauen interessiert sie sich sehr für Prinzen und wollte unbedingt mitkommen. Leider stand auf der Einladung unmissverständlich, der Eingeladene dürfe nur allein zum Essen kommen. Als Adresse war das Schloss Bellevue angegeben und eine dazugehörige Telefonnummer. Ich telefonierte mit dem Schloss und versuchte es zu überreden, meine Frau mit einzuladen, denn eigentlich sei es doch Frauensache, sich mit Prinzen zu unterhalten. Außerdem sei der Prinz genau wie meine Frau ein großer
Gartenfan, sie hätten einander viel zu erzählen. Und worüber sollte ich mit dem Prinzen reden? Männer stehen traditionell mehr auf Prinzessinnen, die sie zum Beispiel vor wilden Tieren retten oder sogar vor Drachen schützen.
    Das Schloss erklärte mir am Telefon, dass es ein Essen für sechsundzwanzig Personen geben werde, und alle kämen ohne Begleitung, denn wenn sie alle mit Begleitung kämen, wären es nur dreizehn Personen und dazu noch einmal dreizehn Begleitungen. Ich fand diese Rechnung ziemlich spießig, beugte mich aber dem Willen des Gastgebers. Eine ganze Woche gab ich damit an, demnächst mit dem Prinzen essen zu gehen, und musste mir jedes Mal die gleichen Ratschläge und Warnungen anhören.
    »Du darfst den Prinzen auf keinen Fall umarmen, du darfst ihm nicht auf die Schulter hauen und ihn nicht ans Herz drücken«, klärte mich meine Frau auf. Das sei laut Etikette nur Mitgliedern des Königshauses erlaubt.
    Am verabredeten Tag versprach ich ihr, den Prinzen nicht zu drücken, zog mir den schicksten Anzug an und fuhr mit dem Taxi zum Schloss. Meine Frau ging in den Garten Blumen gießen. Am Schloss vor dem großen Tor wartete eine Menge von Interessierten, die wahrscheinlich zu wenig Zeichentrickfilme in ihrer Kindheit gesehen hatten und nun vom Prinzen träumten. Auch viele Fotografen mit großen Fotoapparaten waren anwesend, sie lauerten im Garten neben dem Teich. Der Prinz war nicht aus Spaß nach Deutschland gekommen, sondern in geschäftlicher Mission. Ihm wurde die sogenannte deutsche Nachhaltigkeitsmedaille verliehen für seine besonders hartnäckige
Nachhaltigkeit in Sachen ökologischer Gartenbau. In anderen Lebensbereichen, zum Beispiel in den Beziehungen zu Frauen, hatte der Prinz bisher nicht besonders nachhaltig agiert. Doch was ist schon Nachhaltigkeit? Ein komisches Wort. Eine richtige Nachhaltigkeitsmedaille müsste eigentlich jedes Jahr zur selben Zeit an dieselbe Person verliehen werden, mit abschließendem Essen am selben Tisch mit denselben Speisen und selben Gästen, bis alle vor

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