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Liebesgruesse aus Deutschland

Liebesgruesse aus Deutschland

Titel: Liebesgruesse aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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Altersschwäche unter den Tisch fallen. Nur das wäre in meinen Augen echte Nachhaltigkeit.
    Der Prinz hatte sich auf dem Gebiet des ökologischen Gartenbaus große Verdienste erworben. Er liebte die Gartenarbeit nicht weniger als meine Frau und hatte bereits halb England in einen Schrebergarten verwandelt. Als wir in einer deutschen Schrebergartenkolonie eine Parzelle ergattert hatten, hatte meine Frau sogar zur Vorbereitung auf das kommende Gartenjahr ein Gartenbuch von Prinz Charles gelesen. Es war ein lustiges Buch, von Herzen geschrieben. »Eines Tages«, so berichtete der Prinz darin, »haben wir Unkraut entdeckt. Die beste Methode zur Bekämpfung von Unkraut besteht darin, vierzig Tonnen Kies daraufzuschütten.« Wir lachten über diese englischen Methoden. Auf unserem zweihundertvierzehn Quadratmeter großen Schrebergarten konnte man natürlich nicht alle Ratschläge des Prinzen befolgen.
    Die Gäste versammelten sich im Vorzimmer. Sie alle hatten entweder etwas mit deutschen Gärten oder mit der deutschen Kultur oder mit beidem, also mit Gartenkultur, zu tun. Der Prinz und die Herzogin betraten als Letzte
den Saal und schüttelten allen Anwesenden die Hand. Der Prinz hatte die Hände eines Gärtners. Bei der Begrüßungszeremonie stellten sich die Gäste dem Prinzenpaar vor. Ich hatte Englisch in der Schule und später am Institut gelernt, doch durch das darauffolgende anstrengende Erlernen der deutschen Sprache habe ich mein Englisch erfolgreich vergessen. Außerdem hatte ich Zweifel, dass das sogenannte russische Englisch, das uns an den sowjetischen Schulen beigebracht wurde, mit dem real existierenden englischen Englisch übereinstimmen würde. Ich sammelte die Reste dieser Fremdsprache zusammen und stellte mich als »a nice garden-writer with joke« vor. Der Prinz und die Herzogin nickten verständnisvoll.
    Danach aßen wir zusammen marinierten Kabeljau und Lammrücken mit Spargel, zum Dessert gab es Eis. Aus der anregenden Diskussion über ökologischen Gartenbau habe ich mich wegen meiner mangelnden Sprachkenntnisse so weit wie möglich herausgehalten. Ich wollte mich nicht blamieren. Meine Frau saß währenddessen im Garten und wartete, bis es fünfzehn Uhr sein würde. Denn erst ab fünfzehn Uhr darf man bei uns in der Gartenkolonie den Rasen mähen. Sie begoss so lange alle Pflanzen und Bäume.
    Nach dem Dessert fuhr der Prinz nach Potsdam, um die dortigen Gärten zu besuchen, und ich fuhr nach Hause und erzählte allen Familienmitgliedern, wie der Prinz und ich uns gegenseitig auf die Schulter geklopft und Witze erzählt hatten. Danach gingen wir in einer kleinen russischen Runde essen – zum Vietnamesen um die Ecke.

In einem unbekannten Land
    Auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung haben alle fünfhundert umsatzstärksten Unternehmen ihren Hauptsitz in den westdeutschen Ballungsräumen und denken nicht an einen Umzug in den Osten. Das hat historische Gründe. Natürlich waren westliche Geschäftsmänner ihren Kollegen im Osten überlegen. Haben sie doch jahrzehntelang Überlebenserfahrungen auf dem freien kapitalistischen Markt gesammelt, während in der sozialistischen Planwirtschaft der DDR übermäßige Geschäftstüchtigkeit als Verbrechen gegen den Staat eingestuft wurde und wirtschaftlicher Erfolg an Betrug grenzte. Der Mangel an Erfahrung trug dazu bei, dass viele frischgebackene ostdeutsche Geschäftsmänner gleich nach der Wende sehr naiv, ja blauäugig mit dem Kapitalismus flirteten. Sie tauschten Grundstücke gegen Autos, kauften Aktien von Unternehmen, die gar nicht existierten, Devisen von Ländern, die es nicht mehr gab, nahmen Kredite auf, die sie in den Ruin trieben, und ließen sich von den »Besserwessis« übers Ohren hauen wie einst die Eingeborenen von Kapitän Cook.
    Nachdem die Business-Haie in Ausbildung sich mehrmals
die Finger verbrannt hatten, nahm ihre anfängliche Begeisterung für Geschäfte mit Kapitän Cook rapide ab. Aber auch dieser verlor mit der Zeit sein Interesse an Ostdeutschland, denn dort war nichts mehr zu holen. »Kommt wieder, wenn ihr Geld habt«, sagte er und wandte sich China zu. Der ostdeutsche Adventure-Kapitalist schaute dagegen interessiert nach Osten. Dort, in den ehemaligen sozialistischen Ländern, lebten Geschäftsleute, die noch unerfahrener waren als er selbst. Schon Anfang der Neunziger hatte der Ostdeutsche gern Handel mit der sowjetischen Armee getrieben, als diese noch in Deutschland stationiert war. Die Ostdeutschen verkauften

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