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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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überraschende Geschmackserlebnissezu kreieren. Es war ein anständiger Beruf, der ihr Sicherheit gab, denn sie wurde gut für ihre Arbeit bezahlt. Ja, Elsa war anständig geworden. Und mittlerweile war sie schlank und schön, das kleine Feuermal schon lange mit einem Laser von ihrer Haut gebrannt. Doch all das half ihr jetzt in keiner Weise. Elsa lag auf ihrem Bett und fühlte sich, als schwämme sie ganz allein auf einer Holzplanke im großen Meer, so, als drohte sie zu ertrinken. Denn Elsa war Elsa geblieben, in ihrem Herzen war sie noch immer das Mädchen mit dem Feuermal. Hörte das denn niemals auf? Hatten die Gefühle, die jetzt gerade wieder in ihr hochbrandeten, etwa etwas damit zu tun, dass Vera wieder in ihr Leben zurückgekehrt war? Aber wie konnte eine alte Frau, die nicht einmal mehr wusste, wer sie früher gewesen war, nur eine so ungeheuer große Macht über sie besitzen? Elsa hatte nur eine ungenaue Vorstellung davon, was sie morgen im Altersheim erwarten würde. Doch sie fürchtete sich davor. Was bedeutete Demenz? Vielleicht begann die Krankheit damit, dass man einen Namen vergaß, stellte Elsa sich vor, oder vielleicht seinen Autoschlüssel in den Kühlschrank zu den Joghurts legte, um ihn anschließend stundenlang suchen zu müssen. Dann konnte man, in einem späteren Stadium der Demenz, die Dinge nicht mehr richtig benennen. Man ging aus dem Haus zum Brötchenholen, um sich wenig später orientierungslos vor dem Schaufenster einer Tierhandlung wiederzufinden. Und immer hatte man das Gefühl, etwas Entscheidendes vergessen zu haben. Sich selbst? Wo war der Weg, wo sollte es hingehen, wo war das Zuhause? Man war damit beschäftigt, Fragen zu stellen, die niemand beantworten konnte, um all die Fragen im nächsten Augenblick schon wieder vergessen zu haben. Sah Veras Leben heute ungefähr so aus? Doch mochte die Welt ihrer Mutter heute auch zusammengeschrumpft sein, irgendwann hatte sie einmal wirklich gelebt. Vera hatte es immerhin nicht versäumt, viel zu enge, kurze Röcke zu tragen, unter denen sich die Form ihrer Slips abgezeichnet hatte. Und sie hatte einen Kerl eingefangen, der sie begehrte, auch wenn es nur der Busfahrer Wegener vom MVV gewesen war. Wo mochte ihr Vater Friedrich heute wohl leben, fragte sich Elsa. Und wo war die freundliche Frau geblieben?
    Nein, im Grunde genommen konnte es ihr gleichgültig sein, was ihr Vater, die freundliche Frau oder Gottweißwer heute sonst so tat, schließlich war der einzige Mensch, der Elsa Halt geben konnte, niemand anderer als sie selbst.
    Pünktlich um elf Uhr an diesem Vormittag betrat Monika Diebach-Meyer das Büro der Kommissarin Anna Greve. Kurz darauf gesellte sich auch Sigrid Markisch zu ihnen, und die Befragung konnte beginnen.
    „Dies ist meine Kollegin, Kommissarin Markisch aus Hannover“, begann Anna. „Sie wird an unserem Gespräch teilnehmen. Haben Sie in der Zwischenzeit noch einmal über den Abend des 23. November nachgedacht, Frau Diebach-Meyer? Ist Ihnen vielleicht noch jemand eingefallen, der Ihre Angaben bestätigen kann?“
    „Mittlerweile kann ich mich wieder genau an besagten Abend erinnern, denn es kommt zum Glück nicht so häufig vor, dass ich von meiner Arbeit dermaßen erschöpft nach Hause komme.“ Monika Diebach krauste ihre Stirn und strich sich mit der Hand über ihr dunkelgraues Seidenkleid. „Ich habe einfach nur meine Ruhe haben und ein gutes Buch lesen wollen und daher ausnahmsweise sogar meinenAnrufbeantworter eingeschaltet, um endlich einmal ungestört zu sein.“
    „Gut, dann kommen wir jetzt zum 28. November. Wir haben recherchiert, dass für diesen Abend am Ende des Kongresses noch ein Essen im Kollegenkreis stattgefunden hat, zu dem Sie eingeladen waren, aber nicht erschienen sind. Was ist der Grund dafür gewesen?“
    „Da ich für den nächsten Veranstaltungstag gut gewappnet sein wollte, habe ich noch etwas gearbeitet und mir anschließend eine Kleinigkeit zu essen aufs Zimmer kommen lassen. Sie kennen das doch sicher auch“, sie nickte den Kommissarinnen freundlich zu, „als Frau empfiehlt es sich, immer besonders gut vorbereitet zu sein.“
    „Ich weiß genau, was Sie meinen“, bestätigte Sigrid Markisch. „Was ist damals überhaupt zwischen Ihnen, Herrn Herold und Herrn Lorenz geschehen, das Sie heute ein Alibi für die Tatzeiten benötigen lässt?“
    „Rainer und Torsten sind richtige Saukerle gewesen, das können Sie mir glauben. Sie haben jeden gemobbt, der sich nicht zu wehren

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